Freitag, 21. August 2020

Märchen 84 der Hund
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Der Hund

„Na! Das ist jetzt dein Platz. Wenn du dich benimmst, kannst du bleiben.“ Bläckie, der weiß-gefleckte Mischling, schaute sich schüchtern im Vorzimmer um. Der Mann hatte ihn gerade von seiner Mutter entfernt und hier an diesem neuen Ort in einen Korb mit weichen alten Kissen gesetzt. Nun stellte er einen Napf mit zwei Vertiefungen neben den Korb. In die eine füllte er Wasser, in die andere Trockenfutter aus einer Tüte. Bläckie war zu sehr mit der neuen Umgebung beschäftigt, und wusste auch nicht, dass der Fressnapf nun seiner sein sollte. Er saß auf dem Kissen und wartete, was passieren sollte. „Bläckie! Das ist dein Futter. Magst du das nicht? Auch noch wählerisch! Gefressen wird, was in den Napf kommt. Hörst du? Bläckie!“ Der Hund hatte keine Ahnung, was das alles sollte. Auch mit dem Wort „Bläckie“ konnte er nichts anfangen, weil er bisher überhaupt keinen Namen gehabt hatte. „Na, friss mal!“ und sogleich nahm er den Hund und setzte ihn vor den Napf. Bläckie schaute ihn mit verwunderten Augen an und wollte in den Kork zurück, auf dessen Kissen er begonnen hatte, sich wohl zu fühlen. Mit einem goetheschen „Willst du nicht, so brauche ich Gewalt!“ nahm er den Kopf des Hundes und tauchte die Schnauze in das Wasser, wodurch sich die Nasenlöcher mit Wasser füllten und er niesen musste. „Dummer Hund! Kannst du nicht mal normal trinken?“ schnurrte das Herrchen empört. „Naja! Du wirst es schon noch lernen.“ Damit verließ er den Neuankömmling, begab sich in das andere Zimmer und nahm die liegengebliebene Arbeit am Schreibtisch wieder auf. Nachdem das Tierchen sich von den ersten Überraschungen ein bisschen erholt hatte, lief es ein paar Male um die eigene Achse, damit der Liegeplatz mit dem Kissen auch wirklich platt war, wie es Hunde im Allgemeinen machen, rollte sich zusammen, gähnte, legte die Schnauze zwischen dem hinteren Oberschenkel und Körper und schloss die Augen. „Was für ein Tag!“ Nach einer halben Stunde kam das Herrschen in das Vorzimmer. „Na! Wenigstens ein ruhiges Tier!“ dachte er drehte sich herum und nahm wieder am Schreibtisch Platz.
Es war schon acht Uhr am Abend, als ihm dann plötzlich einfiel, dass er das kleine Tierchen noch spazieren führen müsste, damit er sein Geschäft nicht in der Wohnung macht. Aber er hatte weder Halsband noch Leine gekauft. „Warum hab‘ ich nur auf meine Freundin gehört?“ dachte er bei sich. „Eigentlich wollte sie ja einen Hund.“ Er suchte etwas, das als Leine benutzt werden könnte. Er nahm die Schnur der Gardine, machte eine Schlinge und hob den Hund hoch. Nun klingelte auch noch das Telefon. Er machte sich eine Hand frei und drückte den „Gespräch-annehmen“-Knopf. „Hallo!“ In diesem Moment wachte Bläckie auf, erschrak und seine Schließmuskeln versagten. Körperwarmes Nass lief über die Hand auf seine Hose. „Verdammt! Er hat mich angepisst.“ – „Wer? Hast du einen Hund? Oh, du bist ja süß! Ich komme sofort vorbei.“ – „Bring eine Leine mit!“ Aber sie hatte schon aufgelegt. „Wenn sie kommt, kann ich dem Hund die Schnur nicht um den Hals legen, weil sie
verärgert fragen würde, ob ich den kleinen aufhängen will.“ Also ging er in den kleinen Gemeinschaftsgarten des Mehrfamilienhauses, schloss alle Tore und setzte die Unannehmlichkeit ins Gras. Dabei hoffte er, dass kein Nachbar sich beschweren wird. Als der Hund so dort saß und sich nicht bewegte, dachte das Herrchen: „Wenn der jetzt kein Geschäft macht, scheißt er mir in der Nacht in die Wohnung. Die haben mir zwar gesagt, dass er stubenrein ist, aber nach der ersten Erfahrung auf meiner Hand, bin ich nicht mehr so sicher. Warum muss ich mir auch so viele Probleme aufhalsen?“
Dann wurde das äußere Gartentor geöffnet. „Oh, der ist ja süß! Aber wolltest du denn keinen Rassehund?“ fragte seine Freundin. „Eigentlich wollte ich gar keinen Hund. Doch hat die Hündin einer meiner Freunde vor zwei Monaten geworfen und die bestürmten mich schon wochenlang doch einen zu nehmen. Und da du ja unbedingt einen wolltest, hab ich dir einen mitgebracht.“ – „Naja. Aber doch nicht in der Wohnung einer Frau!“ – „Ja! Du willst nur die Freuden haben und die anderen sollen die Arbeit machen.“ – „Wenn du so mit mir sprichst, gehe ich sofort wieder nach Hause.“ Und mit diesen Worten drehte sie sich um und war schon verschwunden, bevor er auch nur hätte protestieren können.
„Siehst du Bläckie? So schnell kann das gehen.“ Der Hund schaute mit verwunderten Augen zu ihm hoch und das Herrchen hatte das Gefühl, dass das der Anfang einer sehr langen Freundschaft werden sollte. Er setzte sich zu seinem Hund ins Gras, während das kleine Tierchen in zwei Metern Umkreis ein bisschen herumschnüffelte. Nach einer Zeit kam es zurück und schmiegte sich vorsichtig in die Beugung zwischen Unter- und Oberschenkel seines Herrchens. „Na! Du bist ja ein liebes Tierchen!“ Während er sanft seinen kleinen, neuen Freund streichelte, sah er mit leeren Augen in die Sterne. Vielleicht sollte er sich eine neue Freundin suchen, ging es ihm durch den Kopf. „Aber anscheinend ist so ein Hündchen für Frauen ein Hinderungsgrund.“
Das Gegenteil sollte sich herausstellen. Schon bei seinem ersten Spaziergang hielten ihn, oder besser den Hund, fast jeden Meter Mädchen oder Frauen an, weibliche Wesen in jedem Alter. Manchmal kämpften sie förmlich um die Gunst, den kleinen als erste streicheln zu dürfen.


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