Montag, 17. August 2020

Märchen 76 der alte Affe erzählt 1
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Der alte Affe erzählt 1

Der alte Affe saß auf der Veranda seines Baumhauses im Hängestuhl, rauchte seine Pfeife und hörte den Geräuschen des Urwaldes zu. Auf seinem Schoß lag ein altes Buch.
Seine Enkelin kam aus dem Vorzimmer, ließ sich neben ihm nieder. „Großvater! Erzähl mir ein bisschen über die guten, alten Zeiten!“ – „Die guten, alten Zeiten, hmm. Die waren vielleicht nicht so gut!“ – „Aber du erzählst doch immer so lustig.“ – „Natürlich, aber das bedeutet nicht, dass ich diese Ereignisse damals wirklich so empfand.“ – „Erzähl doch!“ – bat sie. Er zündete erneut seine Pfeife an, die seither ausgegangen war und begann.
Ich wurde in eine kleine Gemeinde geboren. Das ist, woran ich mich erinnern kann. Es gab dort einen sehr alten Tempel des Bananengottes. Der Priester war ein großer, dicker Mann mit dünnen Beinen, der immer den jungen Weibchen hinterher sah. Aber ich glaube, dass er ein gutes Herz hatte, weil er mit Kindern gut umgehen konnte. Die älteren Mitglieder der Gemeinde waren mit ihm nicht so zufrieden, sie hielten ihn für unmoralisch. Auch ich denke nicht, dass er ein Heiliger war. Aber man kann doch nur von Leuten mit Lebenserfahrung erwarten, entsprechend informiert oder beraten zu werden.
Jeden Morgen also, wenn alle auf Futtersuche gingen, wurde ein älteres Mitglied ausgewählt, um auf die Jungtiere aufzupassen. So schickten meine Eltern auch mich dorthin. Sehr oft kam ich aber verspätet an. Die Aufpasserin erkundigte sich bei meiner Mutter darüber. Bis sie herausfanden, dass ich mich im Tempel eingefunden hatte. Das bestätigte natürlich nicht unbedingt meinen Glauben an den Bananengott, war aber durchaus ein Zeichen für meine Neigungen. Ansonsten waren die Aufpasserinnen nicht sehr von meiner Anwesenheit begeistert, wahrscheinlich, weil sie nicht ganz wussten, was sie mit mir anfangen sollten.
Das Wohngebiet war nicht sehr groß und ziemlich ungefährlich und da ich, als einigermaßen übergewichtiger, dem Spielen und Treiben der anderen sowieso nicht hätte folgen können, machte ich meist allein Ausflüge.
Erfahrung prägt und verändert die Persönlichkeit. Aber dies ist im Allgemeinen in einer kleinen Gemeinschaft nicht so einfach. Jeder wird eingestuft und in das Gemeinschaftsmosaik eingepasst. Will er sich nicht eingliedern, oder denkt, anders zu sein, wird die Ordnung gestört. Eine kleine, enge Gruppe erzeugt Inflexibilität und führt auf längere Zeit zu Intoleranz.
Später begann der Unterricht und am ersten Tag wurde für die Neulinge ein großes Fest veranstaltet. Man wollte ihnen das Wunderbare des Lernens schmackhaft machen. Früh genug musste ich jedoch feststellen, dass die Unterrichter selbst einfach nur Bananen und Kokosnüsse im Kopf hatten. So war es auch kein Wunder, ich passte selten auf. Ich fehlte fast nie, aber dies war wahrscheinlich eher dem Zwang der Gewohnheit zuzuschreiben. Es war eine dünne, aber doch eine Verbindung zur Gemeinschaft. In allem anderen unterschied ich mich von ihr. Während des Unterrichts lag ich meist mit den Armen hinter dem Kopf gekreuzt irgendwo am Rande der Gruppe auf einem Ast mit herrlichem Blick in die Ferne.
Als der Unterrichter mich einmal fragte, was ich gerade mache, schaute ich ihn nur kurz mit einem Blick „Stör mich nicht!“ an und sah weiter auf die weiten Berge. Eines der jungen, weiblichen Tiere drehte sich zu mir mit „Wenn’s dir net gfällt, dann geh doch ham!“ herum. Jetzt hatten auch alle anderen ihren Kopf in meine Richtung gewandt. Gesichtsausdrücke des Unverständnisses zeigten mir, dass ich hier eigentlich nichts verloren hatte. Langsam stand ich auf und ging weg. Der Unterrichter rief mir noch nach – „Ich hab‘ dir das aber nicht erlaubt!“ Ich kam ein paar Äste zurück und antwortete – „Dich hat auch niemand gefragt.“ Ein Bruch war geschehen, der mich über die Berge katapultieren sollte. So wie mir, fehlte auch ich keinem.
Es dauerte lange bis ich zu den Höhen kam. Was war wohl auf der anderen Seite? Hinter mir verschwammen die Baumwipfel langsam zu einem grünen, einheitlichen Teppich. Voller Hoffnung, ohne das Gefühl von Hunger und Durst stieg ich hinauf, am Ende auf allen vieren.
Aber wie groß war meine Enttäuschung, vor mir das gleiche Bild zu haben, wie hinter mir. Jedoch zurück wollte ich nicht. Was für eine Blamage wäre das wohl gewesen, schon nach so kurzer Zeit wiederzukommen. Als ich mich so langsam dem Tal näherte, konnte ich nochmals das gleiche Spiel nur umgekehrt verfolgen. Der einheitlich grüne Teppich verwandelte sich Stück für Stück in Bäche, Flüsse, Seen, Lichtungen, Wälder und Bäume. Als mir dann die ersten Affen entgegenkamen, versteckte ich mich, ließ sie an mir vorbeigehen. Das Seltsame dabei war, dass sie fast genauso aussahen, auch die Kleidung unterschied sich nicht wesentlich von der meiner Heimat. Aber ich konnte nicht verstehen, was sie sagten. Sie hatten eine andere Sprache. Sogar die Dörfer waren nach dem gleichen Muster eingerichtet. Es gab Orte für Kinder, Dorfplätze, Vorratskammern und Bauwohnhäuser, überall das Gleiche. Aber wozu bedurften sie dann einer anderen Art der Verständigung?
Plötzlich packte mich eine Hand von hinten am Nacken. Ich wollte mich herumdrehen, aber diese eiserne Hand drückte meinen Kopf gegen den Boden. Andere Hände hielten meine Arme und Beine zusammen, ich wurde gebunden, man schob mir etwas in den Mund, damit ich nicht schreien konnte, zuletzt zog man mir noch einen Sack über den Kopf und dann wurde es Nacht. Ich wurde irgendwohin gebracht. Wo ich jetzt war, war es kühl, ich hörte eine Tür, die geschlossen wurde. Ich weiß nicht, wie lange ich dort lag, schlief nach einiger Zeit ein. Der Weg über die Berge und der Hunger hatten seine Wirkung getan. Ich war einfach müde und erschöpft.
Als ich wieder aufwachte, hatte man meine Arme und Hände an eine Art Pritsche gebunden, die sich jetzt langsam aufstellte. Der Sack wurde von meinem Kopf gezogen, ich schaute in ein Licht.


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