Samstag, 29. August 2020

Märchen 86 Frischluftmaschine
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Frischluftmaschine

Man braucht keine Wissenschaftler, um herauszufinden, dass Angestellte bei frischer Luft besser arbeiten, als bei verbrauchter, abgestandener. Deshalb hat unsere Firma entschieden, eine Luft-Reinigungsmaschine einbauen zu lassen. Bei der Ausschreibung des Auftrags stießen wir auf ganz besondere Angebote, zum Beispiel: Vernichtung allerlei störender Düfte und Gerüche!
Als die Gerätschaft eingebaut war, unterrichtete uns der Fachmann, wie das Gerät funktioniere und welche Möglichkeiten es gebe.
- Düfte, wie zum Beispiel Essens- oder Lebensmittelgerüche erwecken den Hunger der Angestellten und stören bei Konzentration.
- Sexy Damen-Düfte lenken männliche Angestellte von der Arbeit ab.
- Aufdringliche Männer-Düfte stören die Nasen empfindlicher, weiblicher Mitarbeiter.
Die Firmenleitung war begeistert. Eine Statistik wurde geführt, um den Einfluss der neuen Luftverhältnisse festzustellen. Anfangs stieg die Arbeitsleistung um zwanzig Prozent, aber nach drei Wochen zeigte sich ein erneutes Sinken der gleichen auf sogar zwanzig Prozent weniger Leistung.
Ein Psychologe wurde beauftragt, um den Geschehnissen auf den Grund zu gehen.
Das Ergebnis seines Berichts:
- Raucher gehen öfter in die Raucherecken, um ihren Nikotingehalt im Körper aufrechtzuerhalten.
- Männer sehen in den Pausen mehr Pornos, um den Mangel an Erregung auszugleichen.
- Und so weiter.
Danach wurde die Maschine wieder ausgeschaltet. Seit dieser Zeit arbeiten die Angestellten wieder gleichmäßig durchschnittlich.


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Sonntag, 23. August 2020

Märchen 85 die faule Jugend
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Die faule Jugend

“Diese Jugend von heute ist einfach verweichlicht. Die wollen nicht mehr richtig arbeiten.“ hörte ich die alten Nachbarinnen durch die Wohnungstür im Treppenhaus des alten, noch aus richtigen Ziegelsteinen gebauten Mietshauses, das ich mit zehn anderen Parteien bewohnte. Ich kümmerte mich nicht sehr darum, da ich mich sowieso nicht unbedingt als Mitglied der Gesellschaft betrachtete, und wie die eine die andere Schicht schalt (schelten / schilt, schalt, h. gescholten), berührte mich nicht im Geringsten. Es war eine Kleinstadt und ich hatte meinen Zwei-Zimmer-Unterschlupf in einem Außenbezirk mit vielen Gartenhäusern. Im Winter musste natürlich der Gehsteig schneefrei gehalten und im Sommer manchmal gefegt werden. Dies geschah durch Arbeitsteilung. Jeder im Haus bekam eine Woche zugeteilt, was einen Rhythmus von zehn Wochen ergab. Hatte man Glück, so war man gerade dann an der Reihe, wenn es eigentlich nichts zu tun gab.
Bei einer dieser Gelegenheiten kam eine ältere, wohlbeleibte Frau gerade vom Einkaufen und als sie mich sah, lobte sie mich, wie fleißig ich doch sei, wartete einen Atemzug und bat mich dann, ihr doch beim Tragen der schweren Taschen zu helfen. Ich bin keine Jesus-Figur, aber wenn man mich höflich bittet, kann ich so etwas meist nicht zurückweisen. Ich half ihr also, die Taschen zu tragen, es waren ja nur ungefähr dreihundert Meter ein bisschen den Berg hinauf. Auf diesem kurzen Weg erzählte sie mir einen Teil ihres Lebens, wie schwer die Kriegs- und Nachkriegszeit gewesen sei, dass ihr Mann sie schon einige Zeit verlassen habe, um in einer glücklicheren Welt, da oben neben Gott, seinen würdigen Platz einzunehmen. Hierzu führte sie mit der Hand die Kreuzbewegung auf ihrer Brust aus. Beim Gartentor angekommen schloss sie es auf und ich trug die Taschen bis zur Haustür. Dabei ging es durch einen ziemlich großen Garten, der ein wenig verwahrlost aussah. Ihr Sohn wohne in der Stadt und helfe ihr überhaupt nicht. „Naja,“ dachte ich bei mir, „ich hätte auch bessere Dinge zu tun.“ Natürlich sagt man so etwas nicht laut, sondern lässt nur seine Gedanken schweifen. Beim Abschied drückte sie mir noch einen Apfel aus ihrem Garten in die Hand und nannte mich ihren Sohn.
Es verging keine Woche, als sie sich vor dem Haus, in dem ich wohnte, mit einer anderen Nachbarin unterhielt. Im Vorbeigehen grüßte ich sie und wollte meinen Weg fortsetzen, um ins Schwimmbad zu gehen. Sie hielt mich auf und bat mich ihr doch am nächsten Tag zu helfen, den kleinen Komposthaufen ein bisschen umzuschichten, da sie in ihrem Alter zu so schwerer Arbeit nicht mehr fähig sei. Ein bisschen die Stirn runzelnd willigte ich ein und begab mich am nächsten Morgen zur besprochenen Zeit zu ihrem Haus. Nach kurzem kam sie mit einem strahlenden Gesicht heraus, führte mich in den anderen Teil des Gartens hinter ihrem Haus. Nun zeigte sich erst richtig der ganze Umfang des Eigentums, das einen ganzen Mann in Vollzeitbeschäftigung benötigt hätte, um dort Ordnung zu schaffen und dann auch weiterhin aufrechtzuerhalten. Sie stand neben mir und erzählte mir Geschichten und ein paar ihrer eigenen Gedanken, vielleicht, um mich zu unterhalten. Zum Beispiel, dass sie nicht verstehe, warum diese jungen Leute Sport treiben, wo doch Gartenarbeit wesentlich gesünder wäre und vor allem auch noch nützlich. Während ich schwitzte, fragte sie mich, ob ich ein Bügeleisen habe. Aber da ich eigentlich nur T-Shirts, Pullover und Jeans trug, wäre ich nie auf den Gedanken gekommen, so etwas zu kaufen. Nach Beendigung der Arbeit gab sie mir ein altes, elektrisches Bügeleisen und wollte mich überreden am nächsten Tag wieder zu kommen, um einige andere Tätigkeiten im Garten zu erledigen. Ich drückte ihr das unnütze Geschenk, oder vielleicht Bezahlung wieder in die Hand und war mit schnellen Schritten aus dem Garten verschwunden. Seit dieser Zeit erzählte sie in der ganzen Nachbarschaft, dass mir die Arbeit nicht schmecke. Und seit jener Zeit umging ich sie in weitestem Bogen.


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Freitag, 21. August 2020

Märchen 84 der Hund
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Der Hund

„Na! Das ist jetzt dein Platz. Wenn du dich benimmst, kannst du bleiben.“ Bläckie, der weiß-gefleckte Mischling, schaute sich schüchtern im Vorzimmer um. Der Mann hatte ihn gerade von seiner Mutter entfernt und hier an diesem neuen Ort in einen Korb mit weichen alten Kissen gesetzt. Nun stellte er einen Napf mit zwei Vertiefungen neben den Korb. In die eine füllte er Wasser, in die andere Trockenfutter aus einer Tüte. Bläckie war zu sehr mit der neuen Umgebung beschäftigt, und wusste auch nicht, dass der Fressnapf nun seiner sein sollte. Er saß auf dem Kissen und wartete, was passieren sollte. „Bläckie! Das ist dein Futter. Magst du das nicht? Auch noch wählerisch! Gefressen wird, was in den Napf kommt. Hörst du? Bläckie!“ Der Hund hatte keine Ahnung, was das alles sollte. Auch mit dem Wort „Bläckie“ konnte er nichts anfangen, weil er bisher überhaupt keinen Namen gehabt hatte. „Na, friss mal!“ und sogleich nahm er den Hund und setzte ihn vor den Napf. Bläckie schaute ihn mit verwunderten Augen an und wollte in den Kork zurück, auf dessen Kissen er begonnen hatte, sich wohl zu fühlen. Mit einem goetheschen „Willst du nicht, so brauche ich Gewalt!“ nahm er den Kopf des Hundes und tauchte die Schnauze in das Wasser, wodurch sich die Nasenlöcher mit Wasser füllten und er niesen musste. „Dummer Hund! Kannst du nicht mal normal trinken?“ schnurrte das Herrchen empört. „Naja! Du wirst es schon noch lernen.“ Damit verließ er den Neuankömmling, begab sich in das andere Zimmer und nahm die liegengebliebene Arbeit am Schreibtisch wieder auf. Nachdem das Tierchen sich von den ersten Überraschungen ein bisschen erholt hatte, lief es ein paar Male um die eigene Achse, damit der Liegeplatz mit dem Kissen auch wirklich platt war, wie es Hunde im Allgemeinen machen, rollte sich zusammen, gähnte, legte die Schnauze zwischen dem hinteren Oberschenkel und Körper und schloss die Augen. „Was für ein Tag!“ Nach einer halben Stunde kam das Herrschen in das Vorzimmer. „Na! Wenigstens ein ruhiges Tier!“ dachte er drehte sich herum und nahm wieder am Schreibtisch Platz.
Es war schon acht Uhr am Abend, als ihm dann plötzlich einfiel, dass er das kleine Tierchen noch spazieren führen müsste, damit er sein Geschäft nicht in der Wohnung macht. Aber er hatte weder Halsband noch Leine gekauft. „Warum hab‘ ich nur auf meine Freundin gehört?“ dachte er bei sich. „Eigentlich wollte sie ja einen Hund.“ Er suchte etwas, das als Leine benutzt werden könnte. Er nahm die Schnur der Gardine, machte eine Schlinge und hob den Hund hoch. Nun klingelte auch noch das Telefon. Er machte sich eine Hand frei und drückte den „Gespräch-annehmen“-Knopf. „Hallo!“ In diesem Moment wachte Bläckie auf, erschrak und seine Schließmuskeln versagten. Körperwarmes Nass lief über die Hand auf seine Hose. „Verdammt! Er hat mich angepisst.“ – „Wer? Hast du einen Hund? Oh, du bist ja süß! Ich komme sofort vorbei.“ – „Bring eine Leine mit!“ Aber sie hatte schon aufgelegt. „Wenn sie kommt, kann ich dem Hund die Schnur nicht um den Hals legen, weil sie
verärgert fragen würde, ob ich den kleinen aufhängen will.“ Also ging er in den kleinen Gemeinschaftsgarten des Mehrfamilienhauses, schloss alle Tore und setzte die Unannehmlichkeit ins Gras. Dabei hoffte er, dass kein Nachbar sich beschweren wird. Als der Hund so dort saß und sich nicht bewegte, dachte das Herrchen: „Wenn der jetzt kein Geschäft macht, scheißt er mir in der Nacht in die Wohnung. Die haben mir zwar gesagt, dass er stubenrein ist, aber nach der ersten Erfahrung auf meiner Hand, bin ich nicht mehr so sicher. Warum muss ich mir auch so viele Probleme aufhalsen?“
Dann wurde das äußere Gartentor geöffnet. „Oh, der ist ja süß! Aber wolltest du denn keinen Rassehund?“ fragte seine Freundin. „Eigentlich wollte ich gar keinen Hund. Doch hat die Hündin einer meiner Freunde vor zwei Monaten geworfen und die bestürmten mich schon wochenlang doch einen zu nehmen. Und da du ja unbedingt einen wolltest, hab ich dir einen mitgebracht.“ – „Naja. Aber doch nicht in der Wohnung einer Frau!“ – „Ja! Du willst nur die Freuden haben und die anderen sollen die Arbeit machen.“ – „Wenn du so mit mir sprichst, gehe ich sofort wieder nach Hause.“ Und mit diesen Worten drehte sie sich um und war schon verschwunden, bevor er auch nur hätte protestieren können.
„Siehst du Bläckie? So schnell kann das gehen.“ Der Hund schaute mit verwunderten Augen zu ihm hoch und das Herrchen hatte das Gefühl, dass das der Anfang einer sehr langen Freundschaft werden sollte. Er setzte sich zu seinem Hund ins Gras, während das kleine Tierchen in zwei Metern Umkreis ein bisschen herumschnüffelte. Nach einer Zeit kam es zurück und schmiegte sich vorsichtig in die Beugung zwischen Unter- und Oberschenkel seines Herrchens. „Na! Du bist ja ein liebes Tierchen!“ Während er sanft seinen kleinen, neuen Freund streichelte, sah er mit leeren Augen in die Sterne. Vielleicht sollte er sich eine neue Freundin suchen, ging es ihm durch den Kopf. „Aber anscheinend ist so ein Hündchen für Frauen ein Hinderungsgrund.“
Das Gegenteil sollte sich herausstellen. Schon bei seinem ersten Spaziergang hielten ihn, oder besser den Hund, fast jeden Meter Mädchen oder Frauen an, weibliche Wesen in jedem Alter. Manchmal kämpften sie förmlich um die Gunst, den kleinen als erste streicheln zu dürfen.


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Montag, 17. August 2020

Märchen 83 Der alte Affe erzählt 8
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Der alte Affe erzählt 8

Nach der Beruhigung und Verarbeitung des Vergangenen, bei der das Alleinsein hilft, kommt das Erwachen, oder besser die Erkenntnis.
Ohne die Gegenwart von anderen Affen gibt es niemanden, demgegenüber die Grenzen der Persönlichkeit zum Ausdruck kommen könnten. Der Affe bestimmt sich selbst in Bezug zu seiner gesellschaftlichen Umgebung. Gibt es diese nicht, ist das „Ich“ eine zerfließende Masse. Robinson Affe hatte wahrscheinlich nach dreiundzwanzig Jahren auf seiner Insel einfach vergessen, wer er war.
Gut! Ich hatte das Geschehen verarbeitet, wusste, was ich nicht wollte, war aber weit davon entfernt, sagen zu können, was wohl meinen Wünschen entsprechen sollte. Wünschen kann der Affe sich nur das, was er sich vorstellen kann, das bedeutet, was er vorher schon in irgendeiner Form oder Gestalt mit eigenen Sinnen erfasst oder berührt hat. Neues kann er nicht erfinden, es muss ihm gezeigt werden. Und dann ist er fähig, die Teile anders wieder zusammenzufügen.
Also ich brauchte neue Anregungen, deshalb machte ich mich eines Morgens nach einer gut ausgeschlafenen Nacht auf, die höchste Spitze zu erklimmen, um eine Richtung auszuwählen. Ein kleiner Lederbeutel mit Tierdarmwänden ausgelegt diente als Wasserbehälter und eine andere Ledertasche war mit getrocknetem Fisch, Früchten und Körnern gefüllt. Die Sonne schien, ein Wanderaffe hätte sich keine besseren Voraussetzungen wünschen können. Immer wieder sah ich mich um und es schien mir, als ob dort irgendwo hinter mir in der Ferne die ungefähren Umrisse sich zu wirklichen Erinnerungen zusammenfänden.
Wieder lag ein grüner Teppich vor mir, also ein Tag mit viel Wald. In der Ferne ließen sich Trommeln hören. Rhythmisch wurden diese geschlagen. Als ich näher kam, sah ich einen Hohen Priester, der am Ende einer langen Bambustreppe stand. Auf dem Kopf trug er einen bunten Ring. Die Sonne hinter ihm schien genau durch diesen Reif, da erhob er die Arme. „Seht die Herrlichkeit des Bananengottes!“ – rief er. Alle unten schauten in die Sonne, von der sie natürlich geblendet wurden. Hinter ihnen ertönten die Trommeln noch lauter, von Zeit zu Zeit prallte irgendetwas gegen eine Metallplatte, was einen hellen Klang erzeugte. Die Affen waren wie hypnotisiert.
Von meinem Gebüsch aus konnte ich mehreren von der Seite ins Gesicht sehen. Mit offenen Augen und ausdruckslosen Gesichtern knieten sie da am Fuß der Treppe. Wohin war ich nun wieder geraten? Da oben auf der Treppe stand eine Witzfigur, machte irgendeinen Hokuspokus und die dummen Affen ließen sich verzaubern. Ein junges Affenmädchen erhob sich und ging wie in Trance langsam die Treppe hinauf. Es machte eigentlich fast den Eindruck, als ob sie schweben würde. Oben angekommen legte sie das Tablett mit gebratenen Bananen nieder und kam erneut herunter. Dann ging das nächste Mädchen mit einem Krug hinauf. So lief das noch drei oder viermal. Als die Sonne den bunten Ring verlassen hatte, wachten alle auf und verschwanden langsam im Wald.
Leise schlich ich mich um den Hügel herum und fand den Hohen Priester, der sich gerade an den Speisen gut tat. Ich ging auf ihn zu. Er war nicht sehr überrascht, mich zu sehen. „Ich habe dich schon im Baum erblickt. Lass dich nieder, iss und erzähle mir, woher du kommst!“ Ich tat, wie mir geraten wurde, aber stellte ihm lieber ein paar Fragen. Ich hatte das Gefühl, dass er mir wahrscheinlich mehr erzählen könnte, als meine Wenigkeit ihm. Er beobachtete mich einen Augenblick und schien, ganz froh zu sein, dass er endlich einmal nicht zuhören musste, sondern selbst seine Sorgen teilen konnte. „Ich bin dir dankbar, dass du daran Interesse hast, etwas zu lernen und mir deine Aufmerksamkeit zu schenken.“ – und mit diesen Worten begann er seine Geschichte.
Vor vielen Jahren hatte man ihn, als den Klügsten, gewählt. Er sollte Gericht halten, für alle entscheiden und sie führen. Alle wussten, dass er die Speisen für den Bananengott verzehrte, aber sie wollten auf einfache Weise leben, wie im Paradies, in bequemer Dummheit. Und dazu brauchten sie jemanden, der für sie dachte. In seiner Regierungszeit gab es verschiedene Zeitspannen. Manchmal war er sehr ehrgeizig und ließ sie etwas für das Allgemeinwohl errichten. Wenn er die Nase voll hatte, war er ein Tyrann. Er gab zu, dass es schwierig sei, immer ausgeglichen und ruhig auf jeden Blödsinn zu reagieren. Manchmal packte ihn der Größenwahn und er glaubte dann wirklich, Gott zu sein. Es ist nicht leicht, sich selbst immer im Griff zu haben, wenn es niemanden gibt, der von Zeit zu Zeit Kritik übt, ihm seine Meinung sagt. Vor allem aber fühlte er sich bestraft, weil er allein war, keine Familie hatte, eigentlich sein eigenes Leben nicht genießen konnte. Um von allen geehrt zu werden, musste er auf die Einfachheit des Daseins verzichten. „Wäre es nicht besser, sie zu unterrichten?“ – stieß es aus mir hervor. Auch das hatte er schon versucht, aber dann wieder aufgegeben, weil dies noch ermüdender sei. Und deshalb verbrachte er seine Zeit damit, sein Volk zu beobachten, einen auszuwählen, der nach seinem Tod die Aufgabe übernehmen würde. Bisher hatte sich aber kein geeigneter Kandidat gefunden. „Vielleicht bist du zu gut zu ihnen? Wenn sie die Erfahrung machen, was ein eigensüchtiger Gott ist, werden sie ihr Geschick selbst in die Hand nehmen wollen.“ – „Müsste ich sie dazu bringen, mich zu hassen? Hm! Hättest du nicht Lust, Gott zu spielen?“ Wahrscheinlich glaubte er, in mir den gutmütigen Affen gefunden zu haben, der einmal seinem Volk das weitere sorglose Leben ermöglichen werde. Ich hatte bis dahin schon einiges erlebt, aber Gott war ich noch nicht gewesen. Einige Monde wohnte ich versteckt hinter einem Gebüsch den Gerichtstagen und ähnlichen Versammlungen bei und danach besprachen der Hohe Priester und ich, was in diesem oder jenem Fall zu tun sei.
Sicherlich merkte er, dass ich zwar ein interessierter und überlegter Ratgeber war, aber es mich auf längere Sicht zu sehr langweilen würde. Und so fragte er mich dann eines Morgens: „Ich sehe es in deinen Augen, es zieht dich weiter. Du hast ein gutes Herz, aber die Rolle eines Gottes würde dich früher oder später zum Wahnsinn treiben.“ Er hängte mir die Taschen mit Wasser und Nahrung über die Schulter und lächelte traurig, drehte sich herum und ging zum Tempel zurück. „Ein weiser Affe!“ – dachte ich, viel hatte er mir gelehrt und konnte in den Gedanken anderer lesen. „Ein würdiger Gott!“ Aber doch eine Ausnahme unter den Göttern.
Vor mir lag ein neuer Berg.


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Märchen 82 der alte Affe erzählt 7
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Der alte Affe erzählt 7

Wenn der Tod so schön wäre, möchte einer gar nicht leben, sondern nach der Geburt sofort sterben. Verschiedene Affenkulturen erzählen sogar, dass einer mit dem Tod auch die Erinnerung verliert. Aber als mich eines der Mädchen, das mein Erwachen bemerkt hatte und zu mir gekommen war, etwas fragte, verstand ich kein Wort und antwortete in einer der Sprachen, die ich bisher gelernt hatte. Es ist wohl zu viel verlangt, zu erwarten, dass ein Affe andere Sprachen spricht, wenn er sein Wohngebiet nie verlassen hat. Und so betrachtete sie mich nur lieblich mit ihren schönen Augen. Wieder eine Sprachlehrerin? Auf der einen Seite haben diese von der Außenwelt abgeschlossenen Paradiese ihren Charme, der in ihrer Einfachheit besteht. Aber auf der anderen Seite können sie genau deswegen auch sehr einseitig und beschränkt sein.
Der Instinkt ist dumm und sieht nur den Augenblick. Und so ist es die Minne, die Schwierigkeiten beginnen später.
In einfachen oder anfänglichen Gesellschaften sieht der Affe in allen Kindern den Fortbestand und die ganze Gemeinschaft nimmt an ihrer Erziehung teil. Dort, wo eigenes Eigentum entsteht, versucht der Vater, soviel wie möglich für das seine zu sichern. Wenn entwickelte Gesellschaften klug sind, greifen sie auf den anfänglichen Grundsatz zurück. Aber keines hat Platz für Individualismus, weil jener die Verknüpfungen innerhalb der Gemeinschaft zu sehr lockern würde. Verrückte sind ungefährlich und erfreuen durch ihre Lächerlichkeit. Durchdachte Eigentümlichkeit erschüttert die Ordnung in ihren Grundlagen. Fremde Bausteine müssen erst auf ihre Eigenschaften geprüft werden.
Aber diese Augen hatten alle Grundsätze vergessen, nur der Drang nach Erfüllung der Sehnsucht spiegelte sich darin wieder. Der Trieb kennt keine Vernunft. Ob sie meine Gedanken lesen konnte, bezweifle ich, sie merkte nur, dass hier etwas in meinem Kopf arbeitete und dieser musste zuerst überwältigt werden, wenn der ganze Leib zu seinem Genuss geführt werden sollte. Wie einfach die Welt doch ist!
Zunächst führte sie mich zu einem Platz mit gedeckten kleinen Tischen. Alle möglichen Feinheiten, die man sich nur vorstellen konnte. Später erfuhr ich, dass Männchen und ältere Weibchen, die hilfreichen Engel waren. Nachdem ich genug gespeist hatte, zeigte sie mir eine Ruhestelle und ich schlief an ihrem Busen ein. Als ich wieder aufwachte, lag sie dicht angeschmiegt neben mir und spielte mit meinem Glied, das natürlich eine gewisse Bewegung zeigte. Sie bot sich mir an und ich ließ mich nicht zweimal bitten.
Überallhin folgte sie mir, immer bereit zur Vereinigung. Sie trank mich aus, oder presste mich aus, wie eine Zitrone. Nach einer Zeit flüchtete ich manchmal vor ihr auf einen Baum oder versteckte mich, aber sie fand mich trotzdem. Doch eines Morgens war sie dann plötzlich verschwunden. Ich suchte nach ihr, konnte sie aber nirgends entdecken. Stattdessen liefen mir jetzt alle anderen Affenmädchen hinterher. Nach ein paar Tagen ließ ich mich erobern. Obwohl ich mich an den gedeckten Tischen labte und gut tat, sah ich bald wie ein Schatten oder Gespenst aus. Der Zuchthengst hätte eine Ruhe gebraucht. Aber das war eine kleine Insel und ich konnte nicht sicher sein, dass sich im Wasser keine Krokodile oder Piranhas befänden. Also wartete ich auf den Augenblick, wenn zweimal täglich die Engel mit dem Essen kommen würden. Sie erreichten die Insel mit kleinen Booten. Als ich mich dort niedersetzte, ließen die Mädchen mich in Ruhe. Anscheinend hatten sie meine Absicht verstanden.
Die Boote kamen an, ich half ihnen, die Speisen auf den Tischen zu verteilen und stieg ein. Jetzt fand sich auch endlich ein älteres Weibchen, das mir die ganze Sache erklärte. „Alle Männchen, die auf die Insel kommen, müssen die willigen Mädchen befriedigen und wenn einer keine Kraft mehr hat, wartet er auf die Boote. Die Mädchen tun das gleiche, wenn sie merken, dass sie schwanger sind. Geschlechtsverkehr gibt es nur auf der glückseligen Insel, so weiß jeder und jede, woran sie sind. Und die Nachkommenschaft ist gesichert. Allen ist klar, wer die Mutter, aber niemand weiß ganz genau, wer der Vater sein könnte. Die Bewohner des umliegenden Landes versorgen die Insel mit allem Nötigen, damit die dortigen sich nur mit der Minne beschäftigen müssen.“
Ich verbrachte noch eine Zeit in dieser Zauberhaften Welt, einmal bei der Arbeit, dann wieder auf der Insel, bis mich ein älterer Affe ansprach. „Du hast viel für uns getan, hast bei der Arbeit geholfen, aber vor allem hast du uns neues Blut gebracht. Aber irgendetwas bedrückt dich?“ Es war ein alter, kluger Affe. „Du hast Recht. Euer Paradies ist ein Wunder, doch zieht es mich wieder fort.“ – „Ich weiß. Ich war wie du, bin lange gewandert, und am Ende wiedergekommen. Solltest du irgendwann das Gefühl haben, in der Einfachheit des Glückes leben zu können, dann komm zurück, wir werden dich willkommen heißen.“ Ich umarmte den Alten, bedankte mich, ging ein paar Schritte und war im dichten Regenwald verschwunden. „Wer hatte wohl wem mehr gegeben?“
Alle diese Erlebnisse hatten mich tief geprägt, oder besser, hatten in mir ein großes Durcheinander an Tatsachen, Wissen, Wünschen, Träumen und Vorstellungen hinterlassen. Ich verlangte nach Ruhe und Verarbeitung. Deshalb war ich gar nicht traurig, als sich nach der Überwindung der nächsten Gipfel ein liebliches, kleines, einsames Bergtal vor meinen Augen öffnete. Bäume, viele Lichtungen, ein kleiner Fluss und anscheinend ganz unberührt. Hatte sich noch nie ein Affe hierher verirrt? In zwei Tagen hatte ich es ganz durchstreift, kannte jeden Winkel, jeden Früchtestrauch. Ein umgestürzter Baum über dem Fluss, den ich mit Fallholz und Steinen beschwerte bildete bald einen Damm, ein kleinerer See entstand, in dem ich fischte. Langsam wurde ich ruhig, wie das Tal. Meine Gedanken begannen, sich zu ordnen, oder besser, wie ich zu dem Erlebten stand. Ich wollte herausfinden, wer ich wirklich war. Hatte auf jeden jedes Geschehen den gleichen Einfluss? Warum rufen Dinge trotzdem unterschiedliche Wirkungen beim Einzelnen hervor?


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Märchen 81 der alte Affe erzählt 6
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Der alte Affe erzählt 6

Es klang nicht gerade sehr überzeugend, als er da von einer „Gemeinschaft“ sprach. Jedwedes Zusammenleben ist eine Struktur oder Gesellschaft, aber Gemeinschaft hörte sich einfach zu idealistisch an, stand im Gegensatz zu dem Autoritätsprinzip, das sich hier vor meinen Augen zeigte. Er merkte, dass ich ihm kein Wort glaubte und begann mich zu provozieren. Er hatte damit angefangen und musste jetzt vor den anderen seine Fähigkeit beweisen, auch über mich zu herrschen, wollte er die Achtung der Gruppe ihm gegenüber aufrechterhalten. Immer aggressiver wurden seine Gesten, und als er merkte, dass ich nicht reagierte, zog er sein Messer. Etwas, was ich schon bei meinem ersten Kontakt mit Kulturen und Affen gelernt hatte: „Angst zerstört das Selbstwertgefühl, und macht einen verwundbar, und eine prompte Reaktion entwaffnet den Gegner.“ Beim Griff nach seinem Messer hatte ich einen brennenden Stock aus dem Feuer gerissen und ihm ins Gesicht gestochen. Die Herumsitzenden waren so überrascht, dass sie wie gelähmt dastanden. Der geblendete Anführer schrie wie am Spieß, alle kümmerten sich um ihn. In diesem Durcheinander wurde ich immer weiter in den Hintergrund gedrängt. Langsam drehte ich mich um und verschwand in der Nacht.
Ich war ungefähr fünfzig Meter gegangen, als ich hinter mir Fackeln und Schritte vernahm. Die Horde begann, mich zu suchen. Es war stockdunkel, der Mond von Wolken ganz verdeckt. Ich wusste nicht, wohin ich ging, was nicht ganz ungefährlich war, hinter mir die aufgebrachten Affen, vor mir vielleicht ein Abhang. Noch ließen sich die Lichter der Fackeln sehen. Bis Sonnenaufgang musste ich weit genug entfernt sein, um nicht entdeckt zu werden. Am nächsten Morgen stieg ich auf eine Spitze, überall das gleiche Bild, schier endlos Bergkuppen. Zurück konnte ich nicht mehr, nur geradeaus vorwärts. Bergtäler mit trockenem Gestrüpp und Kakteen, oder steinige Bergrücken. Einen Berg hinauf, Steine und Felsen, je nach Höhe auch mal ein bisschen Schnee, auf der anderen Seite wieder hinunter, durch das Bergtal, affenhohe, ausgetrocknete, stachelige Sträucher und Kakteen. Ein Fortkommen war nur dort möglich, wo das bei der Schneeschmelze herunterfließende Wasser kleinere Flussbette ausgewaschen hatte. Als ich mich sicher fühlte, ging ich nur am Tag. An einem Kaktus erblickte ich eine Knolle in einladender roter Farbe. Das müsste doch eine Frucht sein. Ich biss hinein. Der Geschmack war auch süß. Aber an der Schale gab es winzige Stacheln, die mir jetzt an Händen und Lippen hingen.
Drei Tage dauerte dieses herumirren, bevor ich auf einen Trampelpfad stieß. Ich wusste nicht, in welche Richtung ich ging, da die Wolken sowohl in der Nacht die Sterne, als auch am Tag die Sonne verdeckten. Die eine Richtung dieses fußbreiten Pfades ging nach oben, die andere nach unten. Ich brauchte ein wenig Feuer, um mich aufzuwärmen und etwas zum Essen. Auch das Wasser war nicht das Beste, umso mehr ich trank, desto durstiger wurde ich. Wir trinken nicht nur, um Feuchtigkeit aufzunehmen, sondern brauchen Mineralien und Salze. Natürlich, Schmelzwasser oder Regenwasser haben keine Zeit diese Bodenschätze in sich zu lösen.
Der Weg nach unten ist erfahrungsgemäß leichter, als der nach oben, und so ging es auch ziemlich schnell. Als ich wieder um einen Felsen herumgekommen war, sah ich plötzlich in der Ferne ein kleines Feuer. Aber wie groß war doch meine Enttäuschung, feststellen zu müssen, dass es das Bergtal der Horde war. Augenblicklich kehrte ich um und war vielleicht noch schneller oben, als auf dem Weg hinunter. Inzwischen war es wieder Nacht geworden und fast unmöglich, die Tatze vor den Augen zu sehen. Verständlicherweise wollte ich den Mitgliedern der Horde nicht in die Arme laufen und stolperte weiter. Es ging an einer Felswand entlang, der Weg wurde immer schmäler, bis ich vor einem Abgrund stand. Wie tief es dort hinunterging, war nicht zu erkennen, nur das Brausen des Wassers, das dort in der Tiefe vorbeiraste, erfüllte meine Ohren. Vorsichtig das Gleichgewicht haltend begab ich mich über eine immer enger werdende Steinbrücke. In der Mitte pfiff der gnadenlose Wind und ich ging auf alle viere herunter. Ganz entkräftet fiel ich auf der anderen Seite auf den Rücken. Als ich ein paar Stunden später, es war schon wieder Tag geworden, erwachte, sah ich mir die ganze Sache noch einmal an und war überzeugt, dass ich da nicht noch einmal zurückgehen würde. Eine tiefe Schlucht, von ein paar hundert Metern, nicht breiter, als vielleicht zehn oder zwölf Meter. Unten presste sich das Wasser reißend durch diese Enge und oben pfiff der Wind. Ein ständiges Toben und Pfeifen verstärkt durch das Echo machte mich fast taub. Die Brücke bestand aus einem riesigen, länglichen Felsen, der aus der einen Felswand herausgestürzt, aber zu groß gewesen war, um durch die enge Schlucht ganz nach unten zu fallen.
Jetzt ging ich wieder nur bei Tageslicht weiter, diese Wege wären eigentlich für Gämsen ideal gewesen. Langsam führte es nach unten und irgendwo hörte der Pfad dann einfach auf. Um mich herum steile Wände und vor mir ein schneller Bach, der links aus der Wand kam und in der rechten Wand in einem Tunnel verschwand. Wie sollte es nun weitergehen?
Die Erfahrung hatte gezeigt, dass das Wasser entweder vom Himmel regnet oder aus dem Boden quillt. Vielleicht war dieses Gewässer so ein Beginn. Ich stieg also hinein und ging langsam mit dem Wasser in die Tunnelöffnung. Natürlich wurde es immer dunkler und ich schlug mir diesen oder jenen Körperteil an der unebenen Wand oder Decke an oder rutschte auf den glitschigen Felsen aus. Ich war schon ein ganzes Stück gegangen, da fiel ich plötzlich in die Tiefe und verlor das Bewusstsein.
Als ich wieder erwachte, sah ich um mich herum Blumen, summende Bienen, hübsche Affenmädchen. War ich tot und das das Paradies des Bananengottes?


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Märchen 80 der alte Affe erzählt 5
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Der alte Affe erzählt 5

Andere Täler, andere Sprachen und natürlich andere Verhaltensweisen. Ein paar Beispiele sollen dies demonstrieren. Einer rief mir etwas zu und bewegte dabei die Hand seines ausgestreckten Armes nach unten. Ich hätte mir nicht träumen lassen, was er von mir wollte, also ging ich auf ihn zu. Erst später sollte sich herausstellen, dass die Handbewegung die Aufforderung zum Heranrufen eines anderen diente. In anderen Tälern bewegte man dazu entweder den ganzen Arm oder nur die Hand ein bisschen kreisförmig nach oben und zu sich hin. In einigen Gegenden hielten sich nur verliebte Affen an den Händen, in anderen auch Familienmitglieder oder gar Freunde. In dritten wiederum lief das weiblich Tier immer hinter dem männlichen. Die Kultur oder Gegend oder Grad der Beziehung bestimmte dann die Entfernung. „Haha!“ – lachte die Enkelin. „Wenn die männlichen etwas wollen, laufen sie uns hinterher“, - und dann in einem traurigeren Ton, - „später aber müssen wir ihnen folgen.“ – Jetzt erhellte sich ihr Gesicht wieder – „Gibt es nicht einen Ort, an dem sie immer nebeneinander laufen?“
Bei den Bergaffen, da …………. „Aber warte einmal!“ – brach es aus der Enkelin heraus, „den schönsten Teil nach dem Regen hast du noch nicht erzählt!“ Einen Augenblick stutzte er. Wieder etwas, was er nicht erklären wollte oder konnte. Die wenigsten Geschehnisse gehen in einer Katastrophe oder im ewigen Glück zu Ende. Die meisten Sachen verlaufen im Sand, werden einfach langsam vergessen, als ob sie nie passiert wären. Es wird nur dann etwas wirklich Großes daraus, wenn sich irgendjemand besonders daran erinnert, es ihn tiefer berührt oder getroffen hat. Vor allem, wenn Leute oder Orte ihn umgeben, die mit den Geschehnissen in Verbindung stehen. Beim alten Affen war das anders. Es berührten ihn nur Dinge, die er im Kopf behalten wollte. Alles andere ging verloren oder geriet in Vergessenheit, weil er sich immer allein von einem Ort zum anderen begab. Sehr oft wechselte er dabei noch seine Persönlichkeit. Am gleichen Ort mit den gleichen Personen zu verweilen, bedeutet eine Beständigkeit, aber auch in eine gewisse Rolle hineingezwängt zu werden, obwohl man sich verändert, aber Bewegung in der Umgebung meist langsamer vor sich geht. Der alte Affe hatte sich damals ausprobieren oder vielleicht finden wollen. Manchmal spielte er die Rolle des Anhänglichen, des Gefühlvollen, des Unabhängigen und so weiter. Die Umgebung bot ihm verschiedene Möglichkeiten und er wählte sich aus, was er gerade wollte.
Die Enkelin sah ihn an und merkte, dass seine Gedanken irgendwo weit entfernt weilten. Aber sie wagte nicht, ihn zu stören, wartete geduldig, bis er zurückkommen würde. Währenddessen spielten sich auch in ihrem Kopf verschiedene Szenen ab. Da war zum Beispiel das eine Nachbarpärchen. Das männliche Tier war ein Fremdling, aber solange die Umgebung das Gefühl hatte, dass sie glücklich sind, wurde er toleriert. Oder ein hübsches Weibchen, das sich nicht einem steinreichen, sondern einem bananenreichen Affen hingegeben hatte. Es gab viel Geschwätz und Neid. Doch können wir es jemandem verübeln, wenn er oder sie Sicherheit sucht? Was tun wir nicht alles für ein wenig Sicherheitsgefühl?
Der alte Affe dachte darüber nach, wie sehr man einander nicht versteht, obwohl jeder die gleichen Wörter benutzt. Solange nur Körpersprache funktioniert sind beide Seiten wesentlich aufmerksamer, drücken sich eindeutiger aus, weil sie ja nicht missverstanden werden wollen. Mit der Sprache kommen dann die Kleinigkeiten, das Spiel beginnt.
Die letzten Bäume und Sträucher waren verschwunden, nur hier und da ein wenig Moos, natürlich keine Affenseele weit und breit, der ideale Ort für einen Einsiedler. Nach dem Gipfel hätte ich eigentlich wieder ein Tal erwartet, aber was ich sah, waren noch höhere Gipfel. Es wurde immer kälter, die Luft klarer, am Ende schneebedeckte Wolkenkratzer. Klettern auf einen Baum ist nicht unbedingt das gleiche, wie auf einen Berghang, die Beine werden stärker in Anspruch genommen. Langsam begann auch der Hunger und Durst, mich zu plagen. Irgendwo hörte ich Steine, die aufeinanderschlugen. Die Klänge waren zu regelmäßig, um natürlich zu sein. Und um den nächsten Berghang herum, dort flackerte etwas.
Ein Feuer! Aber kein Affe in der Nähe! Hm! Jetzt kam einer. Da war eine Höhle. Nach kurzer Überlegung ging ich zu ihm hinunter. Als er mich erblickte, hob er ganz kurz sein Haupt und arbeitete dann weiter. Er schmiedete gerade ein Messer. Ich setzte mich neben das Feuer, um mich ein wenig aufzuwärmen und wartete. „Woher kommst du?“ – fragte er. Ich war erfreut, weil mir diese Sprache bekannt war und antwortete. Er nahm mich ein bisschen genauer unter die Lupe, wahrscheinlich wegen meiner Aussprache. „Du bist viel gewandert.“ – „Ich habe einige Täler besucht und dort eine gewisse Zeit verbracht.“ – „Warum hast du deine Heimat verlassen?“ – „Keine Ahnung, aber……..“ – „Hast du etwas ausgefressen?“ – „Nein, ich hatte keine Lust, das Geschwätz des alten Unterrichters anzuhören.“ – „Und da dachtest du, dass du das Leben selbst ausprobieren musst!“ – „Vielleicht ist das so.“
Als die Sonne hinter den Bergkuppen verschwinden wollte, fanden sich noch andere im Lager ein. „Hat der ‘was angestellt?“ – sagte einer. „Frag ihn doch selbst?“ – erwiderte ein anderer. „Hey, du! Was hat dich denn hierhergetrieben?“ Ich überlegte, ob man/Affe etwas verbrechen muss, um aus den Fesseln der Gesellschaft auszubrechen. Ein Affe, wahrscheinlich der Anführer, setzte sich mir gegenüber und forderte mich auf, meine Geschichte zu erzählen. Es wurde ruhig, alle waren neugierig. Als ich geendet hatte, sah ich die Enttäuschung auf den Gesichtern. „Das ist doch eine Jungfrau.“ – brach es aus einem heraus. Viele lachten. „Du wanderst also nur so herum.“ – Der Anführer prüfte mich mit seinen Augen. „Ein seltsamer Vogel! Weißt du, wer wir sind?“ Ich ahnte es, wusste aber nichts Genaueres, schüttelte also den Kopf. „Wir sind Ausgestoßene! Die Gesellschaft denkt, dass wir für die Ordnung gefährlich sind. Sie wollen uns nicht haben, deshalb haben wir hier in den Bergen unsere eigene Gemeinschaft aufgebaut.“


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