Montag, 17. August 2020

Märchen 80 der alte Affe erzählt 5
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Der alte Affe erzählt 5

Andere Täler, andere Sprachen und natürlich andere Verhaltensweisen. Ein paar Beispiele sollen dies demonstrieren. Einer rief mir etwas zu und bewegte dabei die Hand seines ausgestreckten Armes nach unten. Ich hätte mir nicht träumen lassen, was er von mir wollte, also ging ich auf ihn zu. Erst später sollte sich herausstellen, dass die Handbewegung die Aufforderung zum Heranrufen eines anderen diente. In anderen Tälern bewegte man dazu entweder den ganzen Arm oder nur die Hand ein bisschen kreisförmig nach oben und zu sich hin. In einigen Gegenden hielten sich nur verliebte Affen an den Händen, in anderen auch Familienmitglieder oder gar Freunde. In dritten wiederum lief das weiblich Tier immer hinter dem männlichen. Die Kultur oder Gegend oder Grad der Beziehung bestimmte dann die Entfernung. „Haha!“ – lachte die Enkelin. „Wenn die männlichen etwas wollen, laufen sie uns hinterher“, - und dann in einem traurigeren Ton, - „später aber müssen wir ihnen folgen.“ – Jetzt erhellte sich ihr Gesicht wieder – „Gibt es nicht einen Ort, an dem sie immer nebeneinander laufen?“
Bei den Bergaffen, da …………. „Aber warte einmal!“ – brach es aus der Enkelin heraus, „den schönsten Teil nach dem Regen hast du noch nicht erzählt!“ Einen Augenblick stutzte er. Wieder etwas, was er nicht erklären wollte oder konnte. Die wenigsten Geschehnisse gehen in einer Katastrophe oder im ewigen Glück zu Ende. Die meisten Sachen verlaufen im Sand, werden einfach langsam vergessen, als ob sie nie passiert wären. Es wird nur dann etwas wirklich Großes daraus, wenn sich irgendjemand besonders daran erinnert, es ihn tiefer berührt oder getroffen hat. Vor allem, wenn Leute oder Orte ihn umgeben, die mit den Geschehnissen in Verbindung stehen. Beim alten Affen war das anders. Es berührten ihn nur Dinge, die er im Kopf behalten wollte. Alles andere ging verloren oder geriet in Vergessenheit, weil er sich immer allein von einem Ort zum anderen begab. Sehr oft wechselte er dabei noch seine Persönlichkeit. Am gleichen Ort mit den gleichen Personen zu verweilen, bedeutet eine Beständigkeit, aber auch in eine gewisse Rolle hineingezwängt zu werden, obwohl man sich verändert, aber Bewegung in der Umgebung meist langsamer vor sich geht. Der alte Affe hatte sich damals ausprobieren oder vielleicht finden wollen. Manchmal spielte er die Rolle des Anhänglichen, des Gefühlvollen, des Unabhängigen und so weiter. Die Umgebung bot ihm verschiedene Möglichkeiten und er wählte sich aus, was er gerade wollte.
Die Enkelin sah ihn an und merkte, dass seine Gedanken irgendwo weit entfernt weilten. Aber sie wagte nicht, ihn zu stören, wartete geduldig, bis er zurückkommen würde. Währenddessen spielten sich auch in ihrem Kopf verschiedene Szenen ab. Da war zum Beispiel das eine Nachbarpärchen. Das männliche Tier war ein Fremdling, aber solange die Umgebung das Gefühl hatte, dass sie glücklich sind, wurde er toleriert. Oder ein hübsches Weibchen, das sich nicht einem steinreichen, sondern einem bananenreichen Affen hingegeben hatte. Es gab viel Geschwätz und Neid. Doch können wir es jemandem verübeln, wenn er oder sie Sicherheit sucht? Was tun wir nicht alles für ein wenig Sicherheitsgefühl?
Der alte Affe dachte darüber nach, wie sehr man einander nicht versteht, obwohl jeder die gleichen Wörter benutzt. Solange nur Körpersprache funktioniert sind beide Seiten wesentlich aufmerksamer, drücken sich eindeutiger aus, weil sie ja nicht missverstanden werden wollen. Mit der Sprache kommen dann die Kleinigkeiten, das Spiel beginnt.
Die letzten Bäume und Sträucher waren verschwunden, nur hier und da ein wenig Moos, natürlich keine Affenseele weit und breit, der ideale Ort für einen Einsiedler. Nach dem Gipfel hätte ich eigentlich wieder ein Tal erwartet, aber was ich sah, waren noch höhere Gipfel. Es wurde immer kälter, die Luft klarer, am Ende schneebedeckte Wolkenkratzer. Klettern auf einen Baum ist nicht unbedingt das gleiche, wie auf einen Berghang, die Beine werden stärker in Anspruch genommen. Langsam begann auch der Hunger und Durst, mich zu plagen. Irgendwo hörte ich Steine, die aufeinanderschlugen. Die Klänge waren zu regelmäßig, um natürlich zu sein. Und um den nächsten Berghang herum, dort flackerte etwas.
Ein Feuer! Aber kein Affe in der Nähe! Hm! Jetzt kam einer. Da war eine Höhle. Nach kurzer Überlegung ging ich zu ihm hinunter. Als er mich erblickte, hob er ganz kurz sein Haupt und arbeitete dann weiter. Er schmiedete gerade ein Messer. Ich setzte mich neben das Feuer, um mich ein wenig aufzuwärmen und wartete. „Woher kommst du?“ – fragte er. Ich war erfreut, weil mir diese Sprache bekannt war und antwortete. Er nahm mich ein bisschen genauer unter die Lupe, wahrscheinlich wegen meiner Aussprache. „Du bist viel gewandert.“ – „Ich habe einige Täler besucht und dort eine gewisse Zeit verbracht.“ – „Warum hast du deine Heimat verlassen?“ – „Keine Ahnung, aber……..“ – „Hast du etwas ausgefressen?“ – „Nein, ich hatte keine Lust, das Geschwätz des alten Unterrichters anzuhören.“ – „Und da dachtest du, dass du das Leben selbst ausprobieren musst!“ – „Vielleicht ist das so.“
Als die Sonne hinter den Bergkuppen verschwinden wollte, fanden sich noch andere im Lager ein. „Hat der ‘was angestellt?“ – sagte einer. „Frag ihn doch selbst?“ – erwiderte ein anderer. „Hey, du! Was hat dich denn hierhergetrieben?“ Ich überlegte, ob man/Affe etwas verbrechen muss, um aus den Fesseln der Gesellschaft auszubrechen. Ein Affe, wahrscheinlich der Anführer, setzte sich mir gegenüber und forderte mich auf, meine Geschichte zu erzählen. Es wurde ruhig, alle waren neugierig. Als ich geendet hatte, sah ich die Enttäuschung auf den Gesichtern. „Das ist doch eine Jungfrau.“ – brach es aus einem heraus. Viele lachten. „Du wanderst also nur so herum.“ – Der Anführer prüfte mich mit seinen Augen. „Ein seltsamer Vogel! Weißt du, wer wir sind?“ Ich ahnte es, wusste aber nichts Genaueres, schüttelte also den Kopf. „Wir sind Ausgestoßene! Die Gesellschaft denkt, dass wir für die Ordnung gefährlich sind. Sie wollen uns nicht haben, deshalb haben wir hier in den Bergen unsere eigene Gemeinschaft aufgebaut.“


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