Märchen 80 der alte Affe erzählt 5
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Der alte Affe erzählt 5
Andere Täler, andere
Sprachen und natürlich andere Verhaltensweisen. Ein paar Beispiele sollen
dies demonstrieren. Einer rief mir etwas zu und bewegte dabei die Hand seines
ausgestreckten Armes nach unten. Ich hätte mir nicht träumen lassen, was er
von mir wollte, also ging ich auf ihn zu. Erst später sollte sich
herausstellen, dass die Handbewegung die Aufforderung zum Heranrufen eines
anderen diente. In anderen Tälern bewegte man dazu entweder den ganzen Arm
oder nur die Hand ein bisschen kreisförmig nach oben und zu sich hin. In
einigen Gegenden hielten sich nur verliebte Affen an den Händen, in anderen
auch Familienmitglieder oder gar Freunde. In dritten wiederum lief das
weiblich Tier immer hinter dem männlichen. Die Kultur oder Gegend oder Grad
der Beziehung bestimmte dann die Entfernung. „Haha!“ – lachte die Enkelin.
„Wenn die männlichen etwas wollen, laufen sie uns hinterher“, - und dann in
einem traurigeren Ton, - „später aber müssen wir ihnen folgen.“ – Jetzt
erhellte sich ihr Gesicht wieder – „Gibt es nicht einen Ort, an dem sie immer
nebeneinander laufen?“
Bei den Bergaffen, da ………….
„Aber warte einmal!“ – brach es aus der Enkelin heraus, „den schönsten Teil
nach dem Regen hast du noch nicht erzählt!“ Einen Augenblick stutzte er.
Wieder etwas, was er nicht erklären wollte oder konnte. Die wenigsten
Geschehnisse gehen in einer Katastrophe oder im ewigen Glück zu Ende. Die
meisten Sachen verlaufen im Sand, werden einfach langsam vergessen, als ob
sie nie passiert wären. Es wird nur dann etwas wirklich Großes daraus, wenn
sich irgendjemand besonders daran erinnert, es ihn tiefer berührt oder
getroffen hat. Vor allem, wenn Leute oder Orte ihn umgeben, die mit den
Geschehnissen in Verbindung stehen. Beim alten Affen war das anders. Es
berührten ihn nur Dinge, die er im Kopf behalten wollte. Alles andere ging
verloren oder geriet in Vergessenheit, weil er sich immer allein von einem
Ort zum anderen begab. Sehr oft wechselte er dabei noch seine Persönlichkeit.
Am gleichen Ort mit den gleichen Personen zu verweilen, bedeutet eine
Beständigkeit, aber auch in eine gewisse Rolle hineingezwängt zu werden, obwohl
man sich verändert, aber Bewegung in der Umgebung meist langsamer vor sich
geht. Der alte Affe hatte sich damals ausprobieren oder vielleicht finden wollen.
Manchmal spielte er die Rolle des Anhänglichen, des Gefühlvollen, des
Unabhängigen und so weiter. Die Umgebung bot ihm verschiedene Möglichkeiten
und er wählte sich aus, was er gerade wollte.
Die Enkelin sah ihn an und
merkte, dass seine Gedanken irgendwo weit entfernt weilten. Aber sie wagte
nicht, ihn zu stören, wartete geduldig, bis er zurückkommen würde.
Währenddessen spielten sich auch in ihrem Kopf verschiedene Szenen ab. Da war
zum Beispiel das eine Nachbarpärchen. Das männliche Tier war ein Fremdling,
aber solange die Umgebung das Gefühl hatte, dass sie glücklich sind, wurde er
toleriert. Oder ein hübsches Weibchen, das sich nicht einem steinreichen,
sondern einem bananenreichen Affen hingegeben hatte. Es gab viel Geschwätz
und Neid. Doch können wir es jemandem verübeln, wenn er oder sie Sicherheit
sucht? Was tun wir nicht alles für ein wenig Sicherheitsgefühl?
Der alte Affe dachte darüber
nach, wie sehr man einander nicht versteht, obwohl jeder die gleichen Wörter
benutzt. Solange nur Körpersprache funktioniert sind beide Seiten wesentlich
aufmerksamer, drücken sich eindeutiger aus, weil sie ja nicht missverstanden
werden wollen. Mit der Sprache kommen dann die Kleinigkeiten, das Spiel
beginnt.
Die letzten Bäume und
Sträucher waren verschwunden, nur hier und da ein wenig Moos, natürlich keine
Affenseele weit und breit, der ideale Ort für einen Einsiedler. Nach dem
Gipfel hätte ich eigentlich wieder ein Tal erwartet, aber was ich sah, waren
noch höhere Gipfel. Es wurde immer kälter, die Luft klarer, am Ende
schneebedeckte Wolkenkratzer. Klettern auf einen Baum ist nicht unbedingt das
gleiche, wie auf einen Berghang, die Beine werden stärker in Anspruch
genommen. Langsam begann auch der Hunger und Durst, mich zu plagen. Irgendwo
hörte ich Steine, die aufeinanderschlugen. Die Klänge waren zu regelmäßig, um
natürlich zu sein. Und um den nächsten Berghang herum, dort flackerte etwas.
Ein Feuer! Aber kein Affe in
der Nähe! Hm! Jetzt kam einer. Da war eine Höhle. Nach kurzer Überlegung ging
ich zu ihm hinunter. Als er mich erblickte, hob er ganz kurz sein Haupt und
arbeitete dann weiter. Er schmiedete gerade ein Messer. Ich setzte mich neben
das Feuer, um mich ein wenig aufzuwärmen und wartete. „Woher kommst du?“ –
fragte er. Ich war erfreut, weil mir diese Sprache bekannt war und
antwortete. Er nahm mich ein bisschen genauer unter die Lupe, wahrscheinlich
wegen meiner Aussprache. „Du bist viel gewandert.“ – „Ich habe einige Täler
besucht und dort eine gewisse Zeit verbracht.“ – „Warum hast du deine Heimat
verlassen?“ – „Keine Ahnung, aber……..“ – „Hast du etwas ausgefressen?“ –
„Nein, ich hatte keine Lust, das Geschwätz des alten Unterrichters
anzuhören.“ – „Und da dachtest du, dass du das Leben selbst ausprobieren
musst!“ – „Vielleicht ist das so.“
Als die Sonne hinter den
Bergkuppen verschwinden wollte, fanden sich noch andere im Lager ein. „Hat
der ‘was angestellt?“ – sagte einer. „Frag ihn doch selbst?“ – erwiderte ein
anderer. „Hey, du! Was hat dich denn hierhergetrieben?“ Ich überlegte, ob
man/Affe etwas verbrechen muss, um aus den Fesseln der Gesellschaft
auszubrechen. Ein Affe, wahrscheinlich der Anführer, setzte sich mir
gegenüber und forderte mich auf, meine Geschichte zu erzählen. Es wurde
ruhig, alle waren neugierig. Als ich geendet hatte, sah ich die Enttäuschung
auf den Gesichtern. „Das ist doch eine Jungfrau.“ – brach es aus einem
heraus. Viele lachten. „Du wanderst also nur so herum.“ – Der Anführer prüfte
mich mit seinen Augen. „Ein seltsamer Vogel! Weißt du, wer wir sind?“ Ich
ahnte es, wusste aber nichts Genaueres, schüttelte also den Kopf. „Wir sind
Ausgestoßene! Die Gesellschaft denkt, dass wir für die Ordnung gefährlich
sind. Sie wollen uns nicht haben, deshalb haben wir hier in den Bergen unsere
eigene Gemeinschaft aufgebaut.“
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Montag, 17. August 2020
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