Montag, 17. August 2020

Märchen 77 der alte Affe erzählt 2
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Der alte Affe erzählt 2

Mit einer fremden Aussprache fragte mich eine Stimme: „Was spionierst du hier herum?“ Es war richtig, ich hatte mich wie ein Agent versteckt und den Leuten zugeschaut, ihnen zugehört. Was konnte ich jetzt darauf antworten? Da nach meinem Wissen keiner der Affen je über die Berge gegangen war, fiel es mir auch nicht ein, dass die Affen dort feindlich gesinnt sein könnten. Ich schwieg, weil ich nicht wusste, was ich hätte sagen sollen und machte mich dadurch nur noch verdächtiger. Man ließ mich wieder allein, aber jetzt konnte ich mir wenigstens den Raum, oder besser die Zelle, in der ich war, ein bisschen anschauen. In meinem Heimatland gab es so etwas meines Wissens nicht. Oder vielleicht hatte man es mir nie gezeigt? Wir lebten dort alle auf den Bäumen und kamen nur zum Wassertrinken auf den Boden.
Nach ein paar Tagen neben halbverfaulten Bananen und abgestandenem Wasser brachte man mich an einen Ort unter einem Baumhausdorf, um dort die Abfälle auf dem Boden zusammenzusammeln. Es stank fürchterlich, da lag ein Gemisch von Obstresten, Kot und Urin. Ich sollte also Sklavenarbeit verrichten. Zum Essen bekam ich nichts, was es da an Früchteresten gab, und der kleine verschmutzte Bach schien mir als Nahrung zugedacht. Wenn ich nicht arbeitete, bewarf man mich mit Abfällen. Eine unäffliche Behandlung! In der Nacht musste ich dort auf dem Boden schlafen.
Langsam lernte ich, ihre Sprache zu verstehen, obwohl jedweder Kontakt mit mir vermieden wurde. Schon einige Monate dauerte dieser Zustand, und es gab nicht gerade rosige Aussichten, wie ich hier wieder herauskommen sollte. Als ich einmal so vor mich hinträumte und wahrscheinlich zu langsam arbeitete, traf mich ein Apfelputzen am Kopf. Zornig erhob ich die Faust und rief in ihrer Sprache: „Glaubt ihr, dass dies ein affenwürdiges Verhalten ist?“ Hämisches Gelächter war die Antwort, aber von diesem Tag an bewarf man mich wenigstens nicht mehr mit Abfall.
Und irgendwann kam mir dann der Gedanke, was wohl passieren würde, wenn ich einfach fortginge. Ich bewegte mich also ganz normalen Schrittes in eine Richtung, ohne die kleinste Reaktion hervorzurufen. Als ich das Ende des Tales erreicht hatte, war es sicher, dass ich das eigentlich schon viel früher hätte tun können. Es war nur die anfängliche Einschüchterung gewesen, die mich zurückgehalten hatte. Oder einfach meine Dummheit?
Nun ging es wieder bergauf, aber dieses Mal war ich nicht mehr so neugierig darauf, was sich wohl auf der anderen Seite zeigen sollte, zuerst musste nämlich dieser Ort verlassen werden. Ich schaute nicht einmal zurück. Als ich oben angekommen war, tat sich vor mir eine Hochebene auf, mit wenigen Bäumen, aber zwei Meter hohen Gräsern und Sträuchern. Welches Affenvolk sollte wohl hier sein Leben fristen? Jetzt hatte ich aber nicht vor, mich zu verstecken. Aufrecht und ziemlich auffällig bahnte ich mir einen Weg durch das Gestrüpp.
Das sollte sich jedoch schnell ändern, als ich ein fürchterliches Gebrüll vernahm. Das waren keine Affen, es klang mehr nach riesigen Kätzchen. Schnell begab ich mich in Richtung eines nahstehenden Baumes, um einmal darauf geklettert einen Überblick über die Lage zu bekommen.
Ich schlich also von Baum zu Baum, drang so immer tiefer in die Ebene hinein. Nachts schlief ich auf einem der Früchte trug. Manchmal hörte ich dieses Katzenvieh, konnte aber niemals eines sehen. Tja! Wer versteckte sich hier vor wem? Wenn Gefahr keine wirkliche Form annimmt, wird man unvorsichtig. Das sollte auch mir so ergehen. Als ich so dahinschlenderte, wurde ich plötzlich darauf aufmerksam, dass mir etwas folgte. Wenn ich ging kam es näher, wenn ich anhielt, stoppte es auch. Es war nicht mehr weit entfernt, da nahm meine Nase den penetranten Geruch von Fleischfressern auf. Jetzt kam die Angst! Wo war der nächste Baum? Meine Verfolger hatten auch bemerkt, dass sie meine Aufmerksamkeit erweckt hatten. Und so begann die wirkliche Jagd.
Ich nahm die Beine in die Hand und flog förmlich über Gestrüpp und Büsche, aber das Kätzchen kam immer näher. Alle Körperfunktionen hatten ihre Arbeit eingestellt, nur die Fortbewegung rotierte auf vollen Touren. Wahrscheinlich wunderten sich meine Verfolger, wie ein Affe so schnell laufen kann. Doch half es nichts, die Entfernung verkürzte sich von Schritt zu Schritt. Hinter mir setzte jener zum letzten, entscheidenden Sprung an. Ich fühlte schon den tödlichen Atem an meinem Nacken, als ich den Boden unter den Füßen verlor. Wie eine Ewigkeit erschien es mir, Dunkelheit um mich, dann ein harter Aufprall. Bestimmt hatte ich mir jeden Knochen gebrochen, jedoch fühlte ich es nicht. Oben am Rand des Loches sah ich in ziemlicher Entfernung das Katzenvieh. Es hätte ohne Probleme herunter, aber sicher nicht wieder hinaufspringen können. Verärgert und fauchend schaute es zu mir in die Tiefe. Dann verlor ich das Bewusstsein.
Du brauchst Verbündete, jeder Feind deines Gegners ist dein Freund.
Ich vernahm eine zärtliche Stimme und glaubte mich im Paradies. Ein weibliches Affenengelchen mit einem wunderschönen Gesicht schwebte mir vor meinen geistigen Augen. Dieses Engelchen wechselte gerade den Verband an meiner Stirn. Ich machte langsam die Augen auf und da war sie, jung und hübsch. Sie sagte mir etwas, was ich natürlich wieder nicht verstand. Naja, erneut ein anderes Land mit einer anderen Sprache. Ob man wohl auch im Paradies eine fremde Sprache hat? Das Bild verschwand.
Ich stellte mir vor, dass ich ihr eine Liebeserklärung mache. Aber die Überraschung war groß, als sich beim nächsten Erwachen, das Engelchen in einen bärtigen, alten Affen verwandelt hatte. „Wo ist mein Engel?“ – fragte ich. „Gott ist viel zu hässlich!“ Der Arzt, der meine Sprache verstand, musste schmunzeln. „So krank können wir ja gar nicht mehr sein, wenn wir unseren Humor noch nicht verloren haben! Ihr Engel hat auch noch andere Pfleglinge.“ Wahrscheinlich sah er die Enttäuschung auf meinem Gesicht, und dass es sich bei meinen ersten Worten nicht unbedingt um Humor gehandelt hatte. Ein paar Minuten später war mein Engelchen wieder da.


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