Märchen 86 Frischluftmaschine
Learn languages (via Skype): Rainer: + 36 20 549 52 97 or + 36 20 334
79 74
|
------------------------------
|
Frischluftmaschine
Man braucht keine
Wissenschaftler, um herauszufinden, dass Angestellte bei frischer Luft besser
arbeiten, als bei verbrauchter, abgestandener. Deshalb hat unsere Firma
entschieden, eine Luft-Reinigungsmaschine einbauen zu lassen. Bei der
Ausschreibung des Auftrags stießen wir auf ganz besondere Angebote, zum
Beispiel: Vernichtung allerlei störender Düfte und Gerüche!
Als die Gerätschaft
eingebaut war, unterrichtete uns der Fachmann, wie das Gerät funktioniere und
welche Möglichkeiten es gebe.
- Düfte, wie zum Beispiel
Essens- oder Lebensmittelgerüche erwecken den Hunger der Angestellten und
stören bei Konzentration.
- Sexy Damen-Düfte lenken
männliche Angestellte von der Arbeit ab.
- Aufdringliche Männer-Düfte
stören die Nasen empfindlicher, weiblicher Mitarbeiter.
Die Firmenleitung war
begeistert. Eine Statistik wurde geführt, um den Einfluss der neuen
Luftverhältnisse festzustellen. Anfangs stieg die Arbeitsleistung um zwanzig
Prozent, aber nach drei Wochen zeigte sich ein erneutes Sinken der gleichen
auf sogar zwanzig Prozent weniger Leistung.
Ein Psychologe wurde
beauftragt, um den Geschehnissen auf den Grund zu gehen.
Das Ergebnis seines
Berichts:
- Raucher gehen öfter in die
Raucherecken, um ihren Nikotingehalt im Körper aufrechtzuerhalten.
- Männer sehen in den Pausen
mehr Pornos, um den Mangel an Erregung auszugleichen.
- Und so weiter.
Danach wurde die Maschine
wieder ausgeschaltet. Seit dieser Zeit arbeiten die Angestellten wieder
gleichmäßig durchschnittlich.
|
-----------------------------------------------
|
--------------------------------------------------
|
-------------------------------------------------
|
---------------------------------------------------
|
|
Samstag, 29. August 2020
Sonntag, 23. August 2020
Märchen 85 die faule Jugend
Learn languages (via Skype): Rainer: + 36 20 549 52 97 or + 36 20 334
79 74
|
------------------------------
|
Die faule Jugend
“Diese Jugend von heute ist
einfach verweichlicht. Die wollen nicht mehr richtig arbeiten.“ hörte ich die
alten Nachbarinnen durch die Wohnungstür im Treppenhaus des alten, noch aus
richtigen Ziegelsteinen gebauten Mietshauses, das ich mit zehn anderen Parteien
bewohnte. Ich kümmerte mich nicht sehr darum, da ich mich sowieso nicht
unbedingt als Mitglied der Gesellschaft betrachtete, und wie die eine die
andere Schicht schalt (schelten / schilt, schalt, h. gescholten), berührte
mich nicht im Geringsten. Es war eine Kleinstadt und ich hatte meinen
Zwei-Zimmer-Unterschlupf in einem Außenbezirk mit vielen Gartenhäusern. Im
Winter musste natürlich der Gehsteig schneefrei gehalten und im Sommer
manchmal gefegt werden. Dies geschah durch Arbeitsteilung. Jeder im Haus
bekam eine Woche zugeteilt, was einen Rhythmus von zehn Wochen ergab. Hatte
man Glück, so war man gerade dann an der Reihe, wenn es eigentlich nichts zu
tun gab.
Bei einer dieser
Gelegenheiten kam eine ältere, wohlbeleibte Frau gerade vom Einkaufen und als
sie mich sah, lobte sie mich, wie fleißig ich doch sei, wartete einen Atemzug
und bat mich dann, ihr doch beim Tragen der schweren Taschen zu helfen. Ich
bin keine Jesus-Figur, aber wenn man mich höflich bittet, kann ich so etwas
meist nicht zurückweisen. Ich half ihr also, die Taschen zu tragen, es waren
ja nur ungefähr dreihundert Meter ein bisschen den Berg hinauf. Auf diesem
kurzen Weg erzählte sie mir einen Teil ihres Lebens, wie schwer die Kriegs-
und Nachkriegszeit gewesen sei, dass ihr Mann sie schon einige Zeit verlassen
habe, um in einer glücklicheren Welt, da oben neben Gott, seinen würdigen
Platz einzunehmen. Hierzu führte sie mit der Hand die Kreuzbewegung auf ihrer
Brust aus. Beim Gartentor angekommen schloss sie es auf und ich trug die Taschen
bis zur Haustür. Dabei ging es durch einen ziemlich großen Garten, der ein
wenig verwahrlost aussah. Ihr Sohn wohne in der Stadt und helfe ihr überhaupt
nicht. „Naja,“ dachte ich bei mir, „ich hätte auch bessere Dinge zu tun.“
Natürlich sagt man so etwas nicht laut, sondern lässt nur seine Gedanken
schweifen. Beim Abschied drückte sie mir noch einen Apfel aus ihrem Garten in
die Hand und nannte mich ihren Sohn.
Es verging keine Woche, als
sie sich vor dem Haus, in dem ich wohnte, mit einer anderen Nachbarin
unterhielt. Im Vorbeigehen grüßte ich sie und wollte meinen Weg fortsetzen,
um ins Schwimmbad zu gehen. Sie hielt mich auf und bat mich ihr doch am
nächsten Tag zu helfen, den kleinen Komposthaufen ein bisschen umzuschichten,
da sie in ihrem Alter zu so schwerer Arbeit nicht mehr fähig sei. Ein
bisschen die Stirn runzelnd willigte ich ein und begab mich am nächsten
Morgen zur besprochenen Zeit zu ihrem Haus. Nach kurzem kam sie mit einem
strahlenden Gesicht heraus, führte mich in den anderen Teil des Gartens
hinter ihrem Haus. Nun zeigte sich erst richtig der ganze Umfang des
Eigentums, das einen ganzen Mann in Vollzeitbeschäftigung benötigt hätte, um
dort Ordnung zu schaffen und dann auch weiterhin aufrechtzuerhalten. Sie
stand neben mir und erzählte mir Geschichten und ein paar ihrer eigenen
Gedanken, vielleicht, um mich zu unterhalten. Zum Beispiel, dass sie nicht
verstehe, warum diese jungen Leute Sport treiben, wo doch Gartenarbeit
wesentlich gesünder wäre und vor allem auch noch nützlich. Während ich
schwitzte, fragte sie mich, ob ich ein Bügeleisen habe. Aber da ich
eigentlich nur T-Shirts, Pullover und Jeans trug, wäre ich nie auf den
Gedanken gekommen, so etwas zu kaufen. Nach Beendigung der Arbeit gab sie mir
ein altes, elektrisches Bügeleisen und wollte mich überreden am nächsten Tag
wieder zu kommen, um einige andere Tätigkeiten im Garten zu erledigen. Ich
drückte ihr das unnütze Geschenk, oder vielleicht Bezahlung wieder in die
Hand und war mit schnellen Schritten aus dem Garten verschwunden. Seit dieser
Zeit erzählte sie in der ganzen Nachbarschaft, dass mir die Arbeit nicht
schmecke. Und seit jener Zeit umging ich sie in weitestem Bogen.
|
-----------------------------------------------
|
--------------------------------------------------
|
-------------------------------------------------
|
---------------------------------------------------
|
|
Freitag, 21. August 2020
Märchen 84 der Hund
Learn languages (via Skype): Rainer: + 36 20 549 52 97 or + 36 20 334
79 74
|
------------------------------
|
Der Hund
„Na! Das ist jetzt dein
Platz. Wenn du dich benimmst, kannst du bleiben.“ Bläckie, der weiß-gefleckte
Mischling, schaute sich schüchtern im Vorzimmer um. Der Mann hatte ihn gerade
von seiner Mutter entfernt und hier an diesem neuen Ort in einen Korb mit
weichen alten Kissen gesetzt. Nun stellte er einen Napf mit zwei Vertiefungen
neben den Korb. In die eine füllte er Wasser, in die andere Trockenfutter aus
einer Tüte. Bläckie war zu sehr mit der neuen Umgebung beschäftigt, und
wusste auch nicht, dass der Fressnapf nun seiner sein sollte. Er saß auf dem
Kissen und wartete, was passieren sollte. „Bläckie! Das ist dein Futter.
Magst du das nicht? Auch noch wählerisch! Gefressen wird, was in den Napf
kommt. Hörst du? Bläckie!“ Der Hund hatte keine Ahnung, was das alles sollte.
Auch mit dem Wort „Bläckie“ konnte er nichts anfangen, weil er bisher
überhaupt keinen Namen gehabt hatte. „Na, friss mal!“ und sogleich nahm er
den Hund und setzte ihn vor den Napf. Bläckie schaute ihn mit verwunderten
Augen an und wollte in den Kork zurück, auf dessen Kissen er begonnen hatte,
sich wohl zu fühlen. Mit einem goetheschen „Willst du nicht, so brauche ich
Gewalt!“ nahm er den Kopf des Hundes und tauchte die Schnauze in das Wasser,
wodurch sich die Nasenlöcher mit Wasser füllten und er niesen musste. „Dummer
Hund! Kannst du nicht mal normal trinken?“ schnurrte das Herrchen empört.
„Naja! Du wirst es schon noch lernen.“ Damit verließ er den Neuankömmling,
begab sich in das andere Zimmer und nahm die liegengebliebene Arbeit am
Schreibtisch wieder auf. Nachdem das Tierchen sich von den ersten
Überraschungen ein bisschen erholt hatte, lief es ein paar Male um die eigene
Achse, damit der Liegeplatz mit dem Kissen auch wirklich platt war, wie es
Hunde im Allgemeinen machen, rollte sich zusammen, gähnte, legte die Schnauze
zwischen dem hinteren Oberschenkel und Körper und schloss die Augen. „Was für
ein Tag!“ Nach einer halben Stunde kam das Herrschen in das Vorzimmer. „Na!
Wenigstens ein ruhiges Tier!“ dachte er drehte sich herum und nahm wieder am
Schreibtisch Platz.
Es war schon acht Uhr am
Abend, als ihm dann plötzlich einfiel, dass er das kleine Tierchen noch
spazieren führen müsste, damit er sein Geschäft nicht in der Wohnung macht.
Aber er hatte weder Halsband noch Leine gekauft. „Warum hab‘ ich nur auf
meine Freundin gehört?“ dachte er bei sich. „Eigentlich wollte sie ja einen
Hund.“ Er suchte etwas, das als Leine benutzt werden könnte. Er nahm die
Schnur der Gardine, machte eine Schlinge und hob den Hund hoch. Nun klingelte
auch noch das Telefon. Er machte sich eine Hand frei und drückte den
„Gespräch-annehmen“-Knopf. „Hallo!“ In diesem Moment wachte Bläckie auf,
erschrak und seine Schließmuskeln versagten. Körperwarmes Nass lief über die
Hand auf seine Hose. „Verdammt! Er hat mich angepisst.“ – „Wer? Hast du einen
Hund? Oh, du bist ja süß! Ich komme sofort vorbei.“ – „Bring eine Leine mit!“
Aber sie hatte schon aufgelegt. „Wenn sie kommt, kann ich dem Hund die Schnur
nicht um den Hals legen, weil sie
verärgert fragen würde, ob
ich den kleinen aufhängen will.“ Also ging er in den kleinen
Gemeinschaftsgarten des Mehrfamilienhauses, schloss alle Tore und setzte die
Unannehmlichkeit ins Gras. Dabei hoffte er, dass kein Nachbar sich beschweren
wird. Als der Hund so dort saß und sich nicht bewegte, dachte das Herrchen:
„Wenn der jetzt kein Geschäft macht, scheißt er mir in der Nacht in die
Wohnung. Die haben mir zwar gesagt, dass er stubenrein ist, aber nach der
ersten Erfahrung auf meiner Hand, bin ich nicht mehr so sicher. Warum muss ich
mir auch so viele Probleme aufhalsen?“
Dann wurde das äußere
Gartentor geöffnet. „Oh, der ist ja süß! Aber wolltest du denn keinen
Rassehund?“ fragte seine Freundin. „Eigentlich wollte ich gar keinen Hund.
Doch hat die Hündin einer meiner Freunde vor zwei Monaten geworfen und die
bestürmten mich schon wochenlang doch einen zu nehmen. Und da du ja unbedingt
einen wolltest, hab ich dir einen mitgebracht.“ – „Naja. Aber doch nicht in
der Wohnung einer Frau!“ – „Ja! Du willst nur die Freuden haben und die anderen
sollen die Arbeit machen.“ – „Wenn du so mit mir sprichst, gehe ich sofort
wieder nach Hause.“ Und mit diesen Worten drehte sie sich um und war schon
verschwunden, bevor er auch nur hätte protestieren können.
„Siehst du Bläckie? So
schnell kann das gehen.“ Der Hund schaute mit verwunderten Augen zu ihm hoch
und das Herrchen hatte das Gefühl, dass das der Anfang einer sehr langen
Freundschaft werden sollte. Er setzte sich zu seinem Hund ins Gras, während
das kleine Tierchen in zwei Metern Umkreis ein bisschen herumschnüffelte.
Nach einer Zeit kam es zurück und schmiegte sich vorsichtig in die Beugung
zwischen Unter- und Oberschenkel seines Herrchens. „Na! Du bist ja ein liebes
Tierchen!“ Während er sanft seinen kleinen, neuen Freund streichelte, sah er
mit leeren Augen in die Sterne. Vielleicht sollte er sich eine neue Freundin
suchen, ging es ihm durch den Kopf. „Aber anscheinend ist so ein Hündchen für
Frauen ein Hinderungsgrund.“
Das Gegenteil sollte sich
herausstellen. Schon bei seinem ersten Spaziergang hielten ihn, oder besser
den Hund, fast jeden Meter Mädchen oder Frauen an, weibliche Wesen in jedem
Alter. Manchmal kämpften sie förmlich um die Gunst, den kleinen als erste
streicheln zu dürfen.
|
-----------------------------------------------
|
--------------------------------------------------
|
-------------------------------------------------
|
---------------------------------------------------
|
|
Montag, 17. August 2020
Märchen 83 Der alte Affe erzählt 8
Learn languages (via Skype): Rainer: + 36 20 549 52 97 or + 36 20 334
79 74
|
------------------------------
|
Der alte Affe erzählt 8
Nach der Beruhigung und
Verarbeitung des Vergangenen, bei der das Alleinsein hilft, kommt das
Erwachen, oder besser die Erkenntnis.
Ohne die Gegenwart von
anderen Affen gibt es niemanden, demgegenüber die Grenzen der Persönlichkeit
zum Ausdruck kommen könnten. Der Affe bestimmt sich selbst in Bezug zu seiner
gesellschaftlichen Umgebung. Gibt es diese nicht, ist das „Ich“ eine
zerfließende Masse. Robinson Affe hatte wahrscheinlich nach dreiundzwanzig
Jahren auf seiner Insel einfach vergessen, wer er war.
Gut! Ich hatte das Geschehen
verarbeitet, wusste, was ich nicht wollte, war aber weit davon entfernt,
sagen zu können, was wohl meinen Wünschen entsprechen sollte. Wünschen kann
der Affe sich nur das, was er sich vorstellen kann, das bedeutet, was er
vorher schon in irgendeiner Form oder Gestalt mit eigenen Sinnen erfasst oder
berührt hat. Neues kann er nicht erfinden, es muss ihm gezeigt werden. Und
dann ist er fähig, die Teile anders wieder zusammenzufügen.
Also ich brauchte neue
Anregungen, deshalb machte ich mich eines Morgens nach einer gut
ausgeschlafenen Nacht auf, die höchste Spitze zu erklimmen, um eine Richtung
auszuwählen. Ein kleiner Lederbeutel mit Tierdarmwänden ausgelegt diente als
Wasserbehälter und eine andere Ledertasche war mit getrocknetem Fisch,
Früchten und Körnern gefüllt. Die Sonne schien, ein Wanderaffe hätte sich
keine besseren Voraussetzungen wünschen können. Immer wieder sah ich mich um
und es schien mir, als ob dort irgendwo hinter mir in der Ferne die ungefähren
Umrisse sich zu wirklichen Erinnerungen zusammenfänden.
Wieder lag ein grüner
Teppich vor mir, also ein Tag mit viel Wald. In der Ferne ließen sich
Trommeln hören. Rhythmisch wurden diese geschlagen. Als ich näher kam, sah
ich einen Hohen Priester, der am Ende einer langen Bambustreppe stand. Auf
dem Kopf trug er einen bunten Ring. Die Sonne hinter ihm schien genau durch
diesen Reif, da erhob er die Arme. „Seht die Herrlichkeit des Bananengottes!“
– rief er. Alle unten schauten in die Sonne, von der sie natürlich geblendet
wurden. Hinter ihnen ertönten die Trommeln noch lauter, von Zeit zu Zeit
prallte irgendetwas gegen eine Metallplatte, was einen hellen Klang erzeugte.
Die Affen waren wie hypnotisiert.
Von meinem Gebüsch aus
konnte ich mehreren von der Seite ins Gesicht sehen. Mit offenen Augen und
ausdruckslosen Gesichtern knieten sie da am Fuß der Treppe. Wohin war ich nun
wieder geraten? Da oben auf der Treppe stand eine Witzfigur, machte
irgendeinen Hokuspokus und die dummen Affen ließen sich verzaubern. Ein
junges Affenmädchen erhob sich und ging wie in Trance langsam die Treppe
hinauf. Es machte eigentlich fast den Eindruck, als ob sie schweben würde.
Oben angekommen legte sie das Tablett mit gebratenen Bananen nieder und kam
erneut herunter. Dann ging das nächste Mädchen mit einem Krug hinauf. So lief
das noch drei oder viermal. Als die Sonne den bunten Ring verlassen hatte,
wachten alle auf und verschwanden langsam im Wald.
Leise schlich ich mich um
den Hügel herum und fand den Hohen Priester, der sich gerade an den Speisen
gut tat. Ich ging auf ihn zu. Er war nicht sehr überrascht, mich zu sehen.
„Ich habe dich schon im Baum erblickt. Lass dich nieder, iss und erzähle mir,
woher du kommst!“ Ich tat, wie mir geraten wurde, aber stellte ihm lieber ein
paar Fragen. Ich hatte das Gefühl, dass er mir wahrscheinlich mehr erzählen
könnte, als meine Wenigkeit ihm. Er beobachtete mich einen Augenblick und
schien, ganz froh zu sein, dass er endlich einmal nicht zuhören musste,
sondern selbst seine Sorgen teilen konnte. „Ich bin dir dankbar, dass du
daran Interesse hast, etwas zu lernen und mir deine Aufmerksamkeit zu
schenken.“ – und mit diesen Worten begann er seine Geschichte.
Vor vielen Jahren hatte man
ihn, als den Klügsten, gewählt. Er sollte Gericht halten, für alle
entscheiden und sie führen. Alle wussten, dass er die Speisen für den
Bananengott verzehrte, aber sie wollten auf einfache Weise leben, wie im
Paradies, in bequemer Dummheit. Und dazu brauchten sie jemanden, der für sie
dachte. In seiner Regierungszeit gab es verschiedene Zeitspannen. Manchmal
war er sehr ehrgeizig und ließ sie etwas für das Allgemeinwohl errichten.
Wenn er die Nase voll hatte, war er ein Tyrann. Er gab zu, dass es schwierig
sei, immer ausgeglichen und ruhig auf jeden Blödsinn zu reagieren. Manchmal
packte ihn der Größenwahn und er glaubte dann wirklich, Gott zu sein. Es ist
nicht leicht, sich selbst immer im Griff zu haben, wenn es niemanden gibt,
der von Zeit zu Zeit Kritik übt, ihm seine Meinung sagt. Vor allem aber
fühlte er sich bestraft, weil er allein war, keine Familie hatte, eigentlich
sein eigenes Leben nicht genießen konnte. Um von allen geehrt zu werden,
musste er auf die Einfachheit des Daseins verzichten. „Wäre es nicht besser,
sie zu unterrichten?“ – stieß es aus mir hervor. Auch das hatte er schon
versucht, aber dann wieder aufgegeben, weil dies noch ermüdender sei. Und
deshalb verbrachte er seine Zeit damit, sein Volk zu beobachten, einen
auszuwählen, der nach seinem Tod die Aufgabe übernehmen würde. Bisher hatte
sich aber kein geeigneter Kandidat gefunden. „Vielleicht bist du zu gut zu
ihnen? Wenn sie die Erfahrung machen, was ein eigensüchtiger Gott ist, werden
sie ihr Geschick selbst in die Hand nehmen wollen.“ – „Müsste ich sie dazu
bringen, mich zu hassen? Hm! Hättest du nicht Lust, Gott zu spielen?“
Wahrscheinlich glaubte er, in mir den gutmütigen Affen gefunden zu haben, der
einmal seinem Volk das weitere sorglose Leben ermöglichen werde. Ich hatte
bis dahin schon einiges erlebt, aber Gott war ich noch nicht gewesen. Einige
Monde wohnte ich versteckt hinter einem Gebüsch den Gerichtstagen und
ähnlichen Versammlungen bei und danach besprachen der Hohe Priester und ich,
was in diesem oder jenem Fall zu tun sei.
Sicherlich merkte er, dass
ich zwar ein interessierter und überlegter Ratgeber war, aber es mich auf
längere Sicht zu sehr langweilen würde. Und so fragte er mich dann eines
Morgens: „Ich sehe es in deinen Augen, es zieht dich weiter. Du hast ein
gutes Herz, aber die Rolle eines Gottes würde dich früher oder später zum Wahnsinn
treiben.“ Er hängte mir die Taschen mit Wasser und Nahrung über die Schulter
und lächelte traurig, drehte sich herum und ging zum Tempel zurück. „Ein
weiser Affe!“ – dachte ich, viel hatte er mir gelehrt und konnte in den
Gedanken anderer lesen. „Ein würdiger Gott!“ Aber doch eine Ausnahme unter
den Göttern.
Vor mir lag ein neuer Berg.
|
-----------------------------------------------
|
--------------------------------------------------
|
-------------------------------------------------
|
---------------------------------------------------
|
|
Märchen 82 der alte
Affe erzählt 7
Learn languages (via Skype): Rainer: + 36 20 549 52 97 or + 36 20 334
79 74
|
------------------------------
|
Der alte Affe erzählt 7
Wenn der Tod so schön wäre,
möchte einer gar nicht leben, sondern nach der Geburt sofort sterben.
Verschiedene Affenkulturen erzählen sogar, dass einer mit dem Tod auch die
Erinnerung verliert. Aber als mich eines der Mädchen, das mein Erwachen
bemerkt hatte und zu mir gekommen war, etwas fragte, verstand ich kein Wort
und antwortete in einer der Sprachen, die ich bisher gelernt hatte. Es ist
wohl zu viel verlangt, zu erwarten, dass ein Affe andere Sprachen spricht,
wenn er sein Wohngebiet nie verlassen hat. Und so betrachtete sie mich nur
lieblich mit ihren schönen Augen. Wieder eine Sprachlehrerin? Auf der einen
Seite haben diese von der Außenwelt abgeschlossenen Paradiese ihren Charme,
der in ihrer Einfachheit besteht. Aber auf der anderen Seite können sie genau
deswegen auch sehr einseitig und beschränkt sein.
Der Instinkt ist dumm und
sieht nur den Augenblick. Und so ist es die Minne, die Schwierigkeiten
beginnen später.
In einfachen oder
anfänglichen Gesellschaften sieht der Affe in allen Kindern den Fortbestand
und die ganze Gemeinschaft nimmt an ihrer Erziehung teil. Dort, wo eigenes
Eigentum entsteht, versucht der Vater, soviel wie möglich für das seine zu
sichern. Wenn entwickelte Gesellschaften klug sind, greifen sie auf den
anfänglichen Grundsatz zurück. Aber keines hat Platz für Individualismus,
weil jener die Verknüpfungen innerhalb der Gemeinschaft zu sehr lockern
würde. Verrückte sind ungefährlich und erfreuen durch ihre Lächerlichkeit.
Durchdachte Eigentümlichkeit erschüttert die Ordnung in ihren Grundlagen.
Fremde Bausteine müssen erst auf ihre Eigenschaften geprüft werden.
Aber diese Augen hatten alle
Grundsätze vergessen, nur der Drang nach Erfüllung der Sehnsucht spiegelte
sich darin wieder. Der Trieb kennt keine Vernunft. Ob sie meine Gedanken
lesen konnte, bezweifle ich, sie merkte nur, dass hier etwas in meinem Kopf
arbeitete und dieser musste zuerst überwältigt werden, wenn der ganze Leib zu
seinem Genuss geführt werden sollte. Wie einfach die Welt doch ist!
Zunächst führte sie mich zu
einem Platz mit gedeckten kleinen Tischen. Alle möglichen Feinheiten, die man
sich nur vorstellen konnte. Später erfuhr ich, dass Männchen und ältere
Weibchen, die hilfreichen Engel waren. Nachdem ich genug gespeist hatte,
zeigte sie mir eine Ruhestelle und ich schlief an ihrem Busen ein. Als ich
wieder aufwachte, lag sie dicht angeschmiegt neben mir und spielte mit meinem
Glied, das natürlich eine gewisse Bewegung zeigte. Sie bot sich mir an und
ich ließ mich nicht zweimal bitten.
Überallhin folgte sie mir,
immer bereit zur Vereinigung. Sie trank mich aus, oder presste mich aus, wie
eine Zitrone. Nach einer Zeit flüchtete ich manchmal vor ihr auf einen Baum
oder versteckte mich, aber sie fand mich trotzdem. Doch eines Morgens war sie
dann plötzlich verschwunden. Ich suchte nach ihr, konnte sie aber nirgends
entdecken. Stattdessen liefen mir jetzt alle anderen Affenmädchen hinterher.
Nach ein paar Tagen ließ ich mich erobern. Obwohl ich mich an den gedeckten
Tischen labte und gut tat, sah ich bald wie ein Schatten oder Gespenst aus.
Der Zuchthengst hätte eine Ruhe gebraucht. Aber das war eine kleine Insel und
ich konnte nicht sicher sein, dass sich im Wasser keine Krokodile oder
Piranhas befänden. Also wartete ich auf den Augenblick, wenn zweimal täglich
die Engel mit dem Essen kommen würden. Sie erreichten die Insel mit kleinen
Booten. Als ich mich dort niedersetzte, ließen die Mädchen mich in Ruhe.
Anscheinend hatten sie meine Absicht verstanden.
Die Boote kamen an, ich half
ihnen, die Speisen auf den Tischen zu verteilen und stieg ein. Jetzt fand
sich auch endlich ein älteres Weibchen, das mir die ganze Sache erklärte.
„Alle Männchen, die auf die Insel kommen, müssen die willigen Mädchen
befriedigen und wenn einer keine Kraft mehr hat, wartet er auf die Boote. Die
Mädchen tun das gleiche, wenn sie merken, dass sie schwanger sind.
Geschlechtsverkehr gibt es nur auf der glückseligen Insel, so weiß jeder und
jede, woran sie sind. Und die Nachkommenschaft ist gesichert. Allen ist klar,
wer die Mutter, aber niemand weiß ganz genau, wer der Vater sein könnte. Die
Bewohner des umliegenden Landes versorgen die Insel mit allem Nötigen, damit
die dortigen sich nur mit der Minne beschäftigen müssen.“
Ich verbrachte noch eine
Zeit in dieser Zauberhaften Welt, einmal bei der Arbeit, dann wieder auf der
Insel, bis mich ein älterer Affe ansprach. „Du hast viel für uns getan, hast
bei der Arbeit geholfen, aber vor allem hast du uns neues Blut gebracht. Aber
irgendetwas bedrückt dich?“ Es war ein alter, kluger Affe. „Du hast Recht.
Euer Paradies ist ein Wunder, doch zieht es mich wieder fort.“ – „Ich weiß.
Ich war wie du, bin lange gewandert, und am Ende wiedergekommen. Solltest du
irgendwann das Gefühl haben, in der Einfachheit des Glückes leben zu können,
dann komm zurück, wir werden dich willkommen heißen.“ Ich umarmte den Alten,
bedankte mich, ging ein paar Schritte und war im dichten Regenwald
verschwunden. „Wer hatte wohl wem mehr gegeben?“
Alle diese Erlebnisse hatten
mich tief geprägt, oder besser, hatten in mir ein großes Durcheinander an
Tatsachen, Wissen, Wünschen, Träumen und Vorstellungen hinterlassen. Ich
verlangte nach Ruhe und Verarbeitung. Deshalb war ich gar nicht traurig, als
sich nach der Überwindung der nächsten Gipfel ein liebliches, kleines,
einsames Bergtal vor meinen Augen öffnete. Bäume, viele Lichtungen, ein
kleiner Fluss und anscheinend ganz unberührt. Hatte sich noch nie ein Affe
hierher verirrt? In zwei Tagen hatte ich es ganz durchstreift, kannte jeden
Winkel, jeden Früchtestrauch. Ein umgestürzter Baum über dem Fluss, den ich
mit Fallholz und Steinen beschwerte bildete bald einen Damm, ein kleinerer
See entstand, in dem ich fischte. Langsam wurde ich ruhig, wie das Tal. Meine
Gedanken begannen, sich zu ordnen, oder besser, wie ich zu dem Erlebten stand.
Ich wollte herausfinden, wer ich wirklich war. Hatte auf jeden jedes
Geschehen den gleichen Einfluss? Warum rufen Dinge trotzdem unterschiedliche
Wirkungen beim Einzelnen hervor?
|
-----------------------------------------------
|
--------------------------------------------------
|
-------------------------------------------------
|
---------------------------------------------------
|
|
Märchen 81 der alte Affe erzählt 6
Learn languages (via Skype): Rainer: + 36 20 549 52 97 or + 36 20 334
79 74
|
------------------------------
|
Der alte Affe erzählt 6
Es klang nicht gerade sehr
überzeugend, als er da von einer „Gemeinschaft“ sprach. Jedwedes
Zusammenleben ist eine Struktur oder Gesellschaft, aber Gemeinschaft hörte
sich einfach zu idealistisch an, stand im Gegensatz zu dem Autoritätsprinzip,
das sich hier vor meinen Augen zeigte. Er merkte, dass ich ihm kein Wort
glaubte und begann mich zu provozieren. Er hatte damit angefangen und musste
jetzt vor den anderen seine Fähigkeit beweisen, auch über mich zu herrschen,
wollte er die Achtung der Gruppe ihm gegenüber aufrechterhalten. Immer
aggressiver wurden seine Gesten, und als er merkte, dass ich nicht reagierte,
zog er sein Messer. Etwas, was ich schon bei meinem ersten Kontakt mit
Kulturen und Affen gelernt hatte: „Angst zerstört das Selbstwertgefühl, und macht
einen verwundbar, und eine prompte Reaktion entwaffnet den Gegner.“ Beim
Griff nach seinem Messer hatte ich einen brennenden Stock aus dem Feuer
gerissen und ihm ins Gesicht gestochen. Die Herumsitzenden waren so
überrascht, dass sie wie gelähmt dastanden. Der geblendete Anführer schrie
wie am Spieß, alle kümmerten sich um ihn. In diesem Durcheinander wurde ich
immer weiter in den Hintergrund gedrängt. Langsam drehte ich mich um und
verschwand in der Nacht.
Ich war ungefähr fünfzig
Meter gegangen, als ich hinter mir Fackeln und Schritte vernahm. Die Horde
begann, mich zu suchen. Es war stockdunkel, der Mond von Wolken ganz
verdeckt. Ich wusste nicht, wohin ich ging, was nicht ganz ungefährlich war,
hinter mir die aufgebrachten Affen, vor mir vielleicht ein Abhang. Noch
ließen sich die Lichter der Fackeln sehen. Bis Sonnenaufgang musste ich weit
genug entfernt sein, um nicht entdeckt zu werden. Am nächsten Morgen stieg
ich auf eine Spitze, überall das gleiche Bild, schier endlos Bergkuppen.
Zurück konnte ich nicht mehr, nur geradeaus vorwärts. Bergtäler mit trockenem
Gestrüpp und Kakteen, oder steinige Bergrücken. Einen Berg hinauf, Steine und
Felsen, je nach Höhe auch mal ein bisschen Schnee, auf der anderen Seite
wieder hinunter, durch das Bergtal, affenhohe, ausgetrocknete, stachelige
Sträucher und Kakteen. Ein Fortkommen war nur dort möglich, wo das bei der
Schneeschmelze herunterfließende Wasser kleinere Flussbette ausgewaschen
hatte. Als ich mich sicher fühlte, ging ich nur am Tag. An einem Kaktus erblickte
ich eine Knolle in einladender roter Farbe. Das müsste doch eine Frucht sein.
Ich biss hinein. Der Geschmack war auch süß. Aber an der Schale gab es
winzige Stacheln, die mir jetzt an Händen und Lippen hingen.
Drei Tage dauerte dieses
herumirren, bevor ich auf einen Trampelpfad stieß. Ich wusste nicht, in
welche Richtung ich ging, da die Wolken sowohl in der Nacht die Sterne, als
auch am Tag die Sonne verdeckten. Die eine Richtung dieses fußbreiten Pfades
ging nach oben, die andere nach unten. Ich brauchte ein wenig Feuer, um mich
aufzuwärmen und etwas zum Essen. Auch das Wasser war nicht das Beste, umso
mehr ich trank, desto durstiger wurde ich. Wir trinken nicht nur, um
Feuchtigkeit aufzunehmen, sondern brauchen Mineralien und Salze. Natürlich, Schmelzwasser
oder Regenwasser haben keine Zeit diese Bodenschätze in sich zu lösen.
Der Weg nach unten ist
erfahrungsgemäß leichter, als der nach oben, und so ging es auch ziemlich
schnell. Als ich wieder um einen Felsen herumgekommen war, sah ich plötzlich
in der Ferne ein kleines Feuer. Aber wie groß war doch meine Enttäuschung,
feststellen zu müssen, dass es das Bergtal der Horde war. Augenblicklich
kehrte ich um und war vielleicht noch schneller oben, als auf dem Weg
hinunter. Inzwischen war es wieder Nacht geworden und fast unmöglich, die
Tatze vor den Augen zu sehen. Verständlicherweise wollte ich den Mitgliedern
der Horde nicht in die Arme laufen und stolperte weiter. Es ging an einer
Felswand entlang, der Weg wurde immer schmäler, bis ich vor einem Abgrund
stand. Wie tief es dort hinunterging, war nicht zu erkennen, nur das Brausen
des Wassers, das dort in der Tiefe vorbeiraste, erfüllte meine Ohren.
Vorsichtig das Gleichgewicht haltend begab ich mich über eine immer enger
werdende Steinbrücke. In der Mitte pfiff der gnadenlose Wind und ich ging auf
alle viere herunter. Ganz entkräftet fiel ich auf der anderen Seite auf den
Rücken. Als ich ein paar Stunden später, es war schon wieder Tag geworden,
erwachte, sah ich mir die ganze Sache noch einmal an und war überzeugt, dass
ich da nicht noch einmal zurückgehen würde. Eine tiefe Schlucht, von ein paar
hundert Metern, nicht breiter, als vielleicht zehn oder zwölf Meter. Unten
presste sich das Wasser reißend durch diese Enge und oben pfiff der Wind. Ein
ständiges Toben und Pfeifen verstärkt durch das Echo machte mich fast taub.
Die Brücke bestand aus einem riesigen, länglichen Felsen, der aus der einen
Felswand herausgestürzt, aber zu groß gewesen war, um durch die enge Schlucht
ganz nach unten zu fallen.
Jetzt ging ich wieder nur
bei Tageslicht weiter, diese Wege wären eigentlich für Gämsen ideal gewesen.
Langsam führte es nach unten und irgendwo hörte der Pfad dann einfach auf. Um
mich herum steile Wände und vor mir ein schneller Bach, der links aus der Wand
kam und in der rechten Wand in einem Tunnel verschwand. Wie sollte es nun
weitergehen?
Die Erfahrung hatte gezeigt,
dass das Wasser entweder vom Himmel regnet oder aus dem Boden quillt.
Vielleicht war dieses Gewässer so ein Beginn. Ich stieg also hinein und ging
langsam mit dem Wasser in die Tunnelöffnung. Natürlich wurde es immer dunkler
und ich schlug mir diesen oder jenen Körperteil an der unebenen Wand oder
Decke an oder rutschte auf den glitschigen Felsen aus. Ich war schon ein
ganzes Stück gegangen, da fiel ich plötzlich in die Tiefe und verlor das
Bewusstsein.
Als ich wieder erwachte, sah
ich um mich herum Blumen, summende Bienen, hübsche Affenmädchen. War ich tot
und das das Paradies des Bananengottes?
|
-----------------------------------------------
|
--------------------------------------------------
|
-------------------------------------------------
|
---------------------------------------------------
|
|
Märchen 80 der alte Affe erzählt 5
Learn languages (via Skype): Rainer: + 36 20 549 52 97 or + 36 20 334
79 74
|
------------------------------
|
Der alte Affe erzählt 5
Andere Täler, andere
Sprachen und natürlich andere Verhaltensweisen. Ein paar Beispiele sollen
dies demonstrieren. Einer rief mir etwas zu und bewegte dabei die Hand seines
ausgestreckten Armes nach unten. Ich hätte mir nicht träumen lassen, was er
von mir wollte, also ging ich auf ihn zu. Erst später sollte sich
herausstellen, dass die Handbewegung die Aufforderung zum Heranrufen eines
anderen diente. In anderen Tälern bewegte man dazu entweder den ganzen Arm
oder nur die Hand ein bisschen kreisförmig nach oben und zu sich hin. In
einigen Gegenden hielten sich nur verliebte Affen an den Händen, in anderen
auch Familienmitglieder oder gar Freunde. In dritten wiederum lief das
weiblich Tier immer hinter dem männlichen. Die Kultur oder Gegend oder Grad
der Beziehung bestimmte dann die Entfernung. „Haha!“ – lachte die Enkelin.
„Wenn die männlichen etwas wollen, laufen sie uns hinterher“, - und dann in
einem traurigeren Ton, - „später aber müssen wir ihnen folgen.“ – Jetzt
erhellte sich ihr Gesicht wieder – „Gibt es nicht einen Ort, an dem sie immer
nebeneinander laufen?“
Bei den Bergaffen, da ………….
„Aber warte einmal!“ – brach es aus der Enkelin heraus, „den schönsten Teil
nach dem Regen hast du noch nicht erzählt!“ Einen Augenblick stutzte er.
Wieder etwas, was er nicht erklären wollte oder konnte. Die wenigsten
Geschehnisse gehen in einer Katastrophe oder im ewigen Glück zu Ende. Die
meisten Sachen verlaufen im Sand, werden einfach langsam vergessen, als ob
sie nie passiert wären. Es wird nur dann etwas wirklich Großes daraus, wenn
sich irgendjemand besonders daran erinnert, es ihn tiefer berührt oder
getroffen hat. Vor allem, wenn Leute oder Orte ihn umgeben, die mit den
Geschehnissen in Verbindung stehen. Beim alten Affen war das anders. Es
berührten ihn nur Dinge, die er im Kopf behalten wollte. Alles andere ging
verloren oder geriet in Vergessenheit, weil er sich immer allein von einem
Ort zum anderen begab. Sehr oft wechselte er dabei noch seine Persönlichkeit.
Am gleichen Ort mit den gleichen Personen zu verweilen, bedeutet eine
Beständigkeit, aber auch in eine gewisse Rolle hineingezwängt zu werden, obwohl
man sich verändert, aber Bewegung in der Umgebung meist langsamer vor sich
geht. Der alte Affe hatte sich damals ausprobieren oder vielleicht finden wollen.
Manchmal spielte er die Rolle des Anhänglichen, des Gefühlvollen, des
Unabhängigen und so weiter. Die Umgebung bot ihm verschiedene Möglichkeiten
und er wählte sich aus, was er gerade wollte.
Die Enkelin sah ihn an und
merkte, dass seine Gedanken irgendwo weit entfernt weilten. Aber sie wagte
nicht, ihn zu stören, wartete geduldig, bis er zurückkommen würde.
Währenddessen spielten sich auch in ihrem Kopf verschiedene Szenen ab. Da war
zum Beispiel das eine Nachbarpärchen. Das männliche Tier war ein Fremdling,
aber solange die Umgebung das Gefühl hatte, dass sie glücklich sind, wurde er
toleriert. Oder ein hübsches Weibchen, das sich nicht einem steinreichen,
sondern einem bananenreichen Affen hingegeben hatte. Es gab viel Geschwätz
und Neid. Doch können wir es jemandem verübeln, wenn er oder sie Sicherheit
sucht? Was tun wir nicht alles für ein wenig Sicherheitsgefühl?
Der alte Affe dachte darüber
nach, wie sehr man einander nicht versteht, obwohl jeder die gleichen Wörter
benutzt. Solange nur Körpersprache funktioniert sind beide Seiten wesentlich
aufmerksamer, drücken sich eindeutiger aus, weil sie ja nicht missverstanden
werden wollen. Mit der Sprache kommen dann die Kleinigkeiten, das Spiel
beginnt.
Die letzten Bäume und
Sträucher waren verschwunden, nur hier und da ein wenig Moos, natürlich keine
Affenseele weit und breit, der ideale Ort für einen Einsiedler. Nach dem
Gipfel hätte ich eigentlich wieder ein Tal erwartet, aber was ich sah, waren
noch höhere Gipfel. Es wurde immer kälter, die Luft klarer, am Ende
schneebedeckte Wolkenkratzer. Klettern auf einen Baum ist nicht unbedingt das
gleiche, wie auf einen Berghang, die Beine werden stärker in Anspruch
genommen. Langsam begann auch der Hunger und Durst, mich zu plagen. Irgendwo
hörte ich Steine, die aufeinanderschlugen. Die Klänge waren zu regelmäßig, um
natürlich zu sein. Und um den nächsten Berghang herum, dort flackerte etwas.
Ein Feuer! Aber kein Affe in
der Nähe! Hm! Jetzt kam einer. Da war eine Höhle. Nach kurzer Überlegung ging
ich zu ihm hinunter. Als er mich erblickte, hob er ganz kurz sein Haupt und
arbeitete dann weiter. Er schmiedete gerade ein Messer. Ich setzte mich neben
das Feuer, um mich ein wenig aufzuwärmen und wartete. „Woher kommst du?“ –
fragte er. Ich war erfreut, weil mir diese Sprache bekannt war und
antwortete. Er nahm mich ein bisschen genauer unter die Lupe, wahrscheinlich
wegen meiner Aussprache. „Du bist viel gewandert.“ – „Ich habe einige Täler
besucht und dort eine gewisse Zeit verbracht.“ – „Warum hast du deine Heimat
verlassen?“ – „Keine Ahnung, aber……..“ – „Hast du etwas ausgefressen?“ –
„Nein, ich hatte keine Lust, das Geschwätz des alten Unterrichters
anzuhören.“ – „Und da dachtest du, dass du das Leben selbst ausprobieren
musst!“ – „Vielleicht ist das so.“
Als die Sonne hinter den
Bergkuppen verschwinden wollte, fanden sich noch andere im Lager ein. „Hat
der ‘was angestellt?“ – sagte einer. „Frag ihn doch selbst?“ – erwiderte ein
anderer. „Hey, du! Was hat dich denn hierhergetrieben?“ Ich überlegte, ob
man/Affe etwas verbrechen muss, um aus den Fesseln der Gesellschaft
auszubrechen. Ein Affe, wahrscheinlich der Anführer, setzte sich mir
gegenüber und forderte mich auf, meine Geschichte zu erzählen. Es wurde
ruhig, alle waren neugierig. Als ich geendet hatte, sah ich die Enttäuschung
auf den Gesichtern. „Das ist doch eine Jungfrau.“ – brach es aus einem
heraus. Viele lachten. „Du wanderst also nur so herum.“ – Der Anführer prüfte
mich mit seinen Augen. „Ein seltsamer Vogel! Weißt du, wer wir sind?“ Ich
ahnte es, wusste aber nichts Genaueres, schüttelte also den Kopf. „Wir sind
Ausgestoßene! Die Gesellschaft denkt, dass wir für die Ordnung gefährlich
sind. Sie wollen uns nicht haben, deshalb haben wir hier in den Bergen unsere
eigene Gemeinschaft aufgebaut.“
|
-----------------------------------------------
|
--------------------------------------------------
|
-------------------------------------------------
|
---------------------------------------------------
|
|
Abonnieren
Posts (Atom)