Märchen 51 allein
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Allein
Er wusste nicht, ob er erst
ein paar Stunden, einen Tag oder schon zwei Tage hier lag, weil er ganz
erschöpft zusammengebrochen war. Eigentlich ein traumhafter Platz mit
Sandstrand, Sonne und Palmen. Kokosnüsse hingen von ihnen herab, aber ein
bisschen hoch, wenn man keine Leiter hatte. Er dachte nach, er musste Wasser
finden, weil er durstig, Essen, weil er hungrig war und dann herausfinden, wo
er eigentlich war.
Er ging ein Stück am Strand
entlang und erblickte etwas wie einen kleinen Einschnitt im dichten Gestrüpp.
Er näherte sich, schaute hinein, es war ein kleiner Bach mit geschmacklosem
Wasser. Aber es war nicht salzig, also trinkbar. Lange sitzend, die Hand
immer wieder zum Mund führend, löschte sich langsam sein schier unendlicher
Durst. Das schwere Nass lag ihm im Magen und machte ihn müde, er schlief ein.
Als er wieder aufwachte,
erblickte er Mond und Sterne am Himmel und es war ruhig. Nichts regte sich,
aber die Stille tat ihm gut. Der Sturm, bei dem er hierhergekommen war
steckte ihm noch immer in den Knochen. Seine Haut juckte, deshalb wusch er
das Salz von seiner Haut.
Ein Stück des Weges zwischen
Meer und Dickicht lag eine umgeknickte Bananenpalme. Diese war dem Sturm zum
Opfer gefallen, aber die Frucht zwang sein Verdauungssystem, die Arbeit
wieder aufzunehmen. Nach ein paar Stunden Wanderung wurde der Küstenstreifen
felsig und die Brandung heftiger. Ein Kundiger hätte gewusst, dass hier die anbrausende
Meeresströmung die Sandablagerung verhinderte. Lange ging es über Klippen und
Felsen, bevor es wieder sandig wurde.
Er hatte wieder Hunger und
Durst, stillte diese mit Vogeleiern, heruntergefallenen Früchten und
Kokosnüssen, Käfern, Muscheln, mit der Hand gefangenen, rohen Fischen,
Krebsen und kleinen Schildkröten.
Nach drei Tagen fand er
Fußspuren und ein paar Stunden später einen kleinen Bach. Jetzt war es
sicher, es war eine Insel und er war einmal herumgelaufen. Nach ein paar
Tagen begab er sich in das Innere des Eilandes, kannte bald jeden Baum,
Strauch und Vogel, wusste, wo sie brüteten und nahm immer nur ein Ei, damit
sie das Nest nicht verließen.
Schon lange hatte er nichts
mehr gesprochen. Jetzt probierte er seine Stimme aus. Die Worte kamen ihm
nicht leicht über die Lippen, dann sang er Lieder aus seiner Erinnerung. Es
klang ziemlich falsch. Er versuchte es immer wieder, wollte wenigstens sich
selbst hören, wenn er schon mit niemandem sprechen konnte. Manchmal war es
bereits einfacher den Lockruf verschiedener Vögel nachzuahmen.
Er bemerkte es eigentlich
nicht, aber er sprach immer seltener laut mit sich selbst. Auch seine
Gedanken veränderten sich von Tag zu Tag und beschränkten sich bald nur noch
auf: kalt – warm, Tag – Nacht, Hunger – Durst, nur noch wenig mit Schiff –
wegkommen von hier – Rettung.
Eines Tages dann, er saß
gerade auf einem der Korallenriffe, um mit seinem selbstgemachten Speer
Fische zu fangen, sah er am Horizont ein Segelschiff. Zuerst erschien um
seinen Mund ein Lächeln. Aber er konnte sich nicht mehr erinnern, warum dies
Grund zur Freude hätte sein sollen. Es war ihm von irgendwoher noch bekannt,
doch wusste er nicht es mit irgendetwas zu verbinden. Er fletschte die Zähne,
wie bei einer Bedrohung. Dann schwamm er auf die Insel zurück, um sich zu
verstecken.
Fahr mit Märchen 52 fort! |
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Montag, 15. Juni 2020
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