Montag, 15. Juni 2020

Märchen 51 allein
Written by Rainer: rainer.lehrer@yahoo.com
Learn languages (via Skype): Rainer: + 36 20 549 52 97 or + 36 20 334 79 74
------------------------------


Allein

Er wusste nicht, ob er erst ein paar Stunden, einen Tag oder schon zwei Tage hier lag, weil er ganz erschöpft zusammengebrochen war. Eigentlich ein traumhafter Platz mit Sandstrand, Sonne und Palmen. Kokosnüsse hingen von ihnen herab, aber ein bisschen hoch, wenn man keine Leiter hatte. Er dachte nach, er musste Wasser finden, weil er durstig, Essen, weil er hungrig war und dann herausfinden, wo er eigentlich war.
Er ging ein Stück am Strand entlang und erblickte etwas wie einen kleinen Einschnitt im dichten Gestrüpp. Er näherte sich, schaute hinein, es war ein kleiner Bach mit geschmacklosem Wasser. Aber es war nicht salzig, also trinkbar. Lange sitzend, die Hand immer wieder zum Mund führend, löschte sich langsam sein schier unendlicher Durst. Das schwere Nass lag ihm im Magen und machte ihn müde, er schlief ein.
Als er wieder aufwachte, erblickte er Mond und Sterne am Himmel und es war ruhig. Nichts regte sich, aber die Stille tat ihm gut. Der Sturm, bei dem er hierhergekommen war steckte ihm noch immer in den Knochen. Seine Haut juckte, deshalb wusch er das Salz von seiner Haut.
Ein Stück des Weges zwischen Meer und Dickicht lag eine umgeknickte Bananenpalme. Diese war dem Sturm zum Opfer gefallen, aber die Frucht zwang sein Verdauungssystem, die Arbeit wieder aufzunehmen. Nach ein paar Stunden Wanderung wurde der Küstenstreifen felsig und die Brandung heftiger. Ein Kundiger hätte gewusst, dass hier die anbrausende Meeresströmung die Sandablagerung verhinderte. Lange ging es über Klippen und Felsen, bevor es wieder sandig wurde.
Er hatte wieder Hunger und Durst, stillte diese mit Vogeleiern, heruntergefallenen Früchten und Kokosnüssen, Käfern, Muscheln, mit der Hand gefangenen, rohen Fischen, Krebsen und kleinen Schildkröten.
Nach drei Tagen fand er Fußspuren und ein paar Stunden später einen kleinen Bach. Jetzt war es sicher, es war eine Insel und er war einmal herumgelaufen. Nach ein paar Tagen begab er sich in das Innere des Eilandes, kannte bald jeden Baum, Strauch und Vogel, wusste, wo sie brüteten und nahm immer nur ein Ei, damit sie das Nest nicht verließen.
Schon lange hatte er nichts mehr gesprochen. Jetzt probierte er seine Stimme aus. Die Worte kamen ihm nicht leicht über die Lippen, dann sang er Lieder aus seiner Erinnerung. Es klang ziemlich falsch. Er versuchte es immer wieder, wollte wenigstens sich selbst hören, wenn er schon mit niemandem sprechen konnte. Manchmal war es bereits einfacher den Lockruf verschiedener Vögel nachzuahmen.
Er bemerkte es eigentlich nicht, aber er sprach immer seltener laut mit sich selbst. Auch seine Gedanken veränderten sich von Tag zu Tag und beschränkten sich bald nur noch auf: kalt – warm, Tag – Nacht, Hunger – Durst, nur noch wenig mit Schiff – wegkommen von hier – Rettung.
Eines Tages dann, er saß gerade auf einem der Korallenriffe, um mit seinem selbstgemachten Speer Fische zu fangen, sah er am Horizont ein Segelschiff. Zuerst erschien um seinen Mund ein Lächeln. Aber er konnte sich nicht mehr erinnern, warum dies Grund zur Freude hätte sein sollen. Es war ihm von irgendwoher noch bekannt, doch wusste er nicht es mit irgendetwas zu verbinden. Er fletschte die Zähne, wie bei einer Bedrohung. Dann schwamm er auf die Insel zurück, um sich zu verstecken.

Fahr mit Märchen 52 fort!


-----------------------------------------------
--------------------------------------------------
-------------------------------------------------
---------------------------------------------------

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen