Montag, 21. Dezember 2020

 

Märchen 93 kleine Mietwohnung

Written by Rainer: rainer.lehrer@yahoo.com

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Kleine Mietwohnung

 

Gern geht er spazieren, besucht die großen Parks und im Sommer gibt es kein Wochenende, an dem er nicht in die Berge zum Wandern oder an die Küste geht, um irgendeinen Wassersport zu treiben.

Heute ist Sonntag und er durchzieht die Gartenvorstadtbezirke. Ein Garten ist schöner als der andere, manche mit einem Luxushaus, für dessen Grünanlage sicher ein Gärtner angestellt ist, mit hoher Mauer, undurchsichtigem Zaun, Hecke oder 5 Meter hoher, dichter Baumreihe. Einige sehen so schrecklich und geschmacklos aus, dass man sie wirklich verstecken sollte, andere kleinere erwecken den Eindruck, dass hier der durchschnittliche, private Meister sein Lebenswerk verwirklichen will.

Am Abend nach der Arbeit, das ganze Wochenende sieht man sie geschäftig. Im Sommer werden das Dach ausgebessert, die Hauswand neu verputzt, die Fenster, Türen oder der Zaun gestrichen, die Blumen gegossen oder der Rasen gemäht. Im Herbst müssen das Laub zusammengerecht, Äpfel, Birnen und Früchte, Beeren, Nüsse und Gemüse geerntet werden. Im Winter, man sollte doch annehmen, kommt eine ruhigere Zeit. Aber nein! Dann lassen sich Geräusche aus der Garage oder vom Dachboden hören. Im Frühling muss die durch Eis und Kälte verhärtete Erde aufgelockert und für die nächste Saat vorbereitet werden.

Und wann ruhen sich diese fleißigen Ameisen und Bienen aus, um die Früchte ihrer Arbeit, den Garten und das Haus zu genießen? Nie! Sie scheinen unermüdlich. Selbst wenn Besuch eintrifft, muss dieser dem Treiben des Hausherrn von der Terrasse aus folgen. Natürlich spitzt der Fleißige von Ferne seine Ohren und verbucht mit sichtlicher Zufriedenheit das verdiente Lob. Oft entsteht ein wahrer Wettkampf unter den Nachbarn, wer von ihnen wohl die schönste Gartenanlage, das dazu passende Haus, Gartenlaube oder gar kleinen Teich aufweisen kann.

Als unser Spaziergänger so durch die Häuserreihen, an den Zäunen dieser Paradieschen auf Erden vorbeischlendert, verfolgt ihn das Gebell von größeren und kleineren Wächtern, die manchmal auch schwanzwedelnd oder gar knurrend seine Ankunft verraten, von den einen Nachbarshunden aufmerksam gemacht und die nächsten in Alarm versetzend. Während des Bellkonzerts bewegen sich hier und da Vorhänge vor allem der Küchenfenster, um zu erfahren, wer wohl der interessierte Eindringling sei, der die ruhige Eintönigkeit zu stören wagt. Wessen Neugierde wird hier befriedigt?

Der Wanderer durch fremde Paradiesgärten begibt sich langsam wieder nach Hause in seine kleine Mietwohnung. Für einen Ausflug und ein Träumchen, war der heutige Nachmittag nicht schlecht, aber nächstes Wochenende fährt er in die Berge und in drei Wochen an einen größeren See zum Rudern.

 

 

Fahr mit Märchen 94 fort!

 

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