Freitag, 18. Dezember 2020

 

Märchen 91 heiliger Kreuzzug der Armen

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Heiliger Kreuzzug der Armen

 

Schweißgebadet wachte er auf. Er wusste nicht mehr, wie er an diesen verlassenen Ort gekommen war, nur die Worte des Dorfpredigers klangen ihm noch in den Ohren: „Die Kinder werden die Welt regieren und Gottes Reich schaffen! Die Letzten werden die Ersten sein! Nur ein Armer passt durch das Nadelöhr.“ Und danach gab es eine Lücke in seinen Erinnerungen.

Es war kalt und schon fast Nacht, die erste Eule begann ihren Jagdschrei: „Uhuuu, uhuuu!“ Noch eine Weile blieb er liegen, dann erhob er sich. Kleine, funkelnde Augen blickten ihn aus dem Dickicht an. Der Mondschein warf verschiedenste Schatten. Und da war es wieder, jetzt erinnerte er sich an einen Augenblick, bevor er ohnmächtig zusammengebrochen war. Ein Mann mittleren Alters, mit ungekämmten Haaren, Blut an der Stirn und einem dreckigen, einmal sicher weißen Gewand sprach zu ihm: „ Geh, sammle die Armen und Kinder und erobere mein Grab zurück, geh nach Palästina!“ Dann verschwand die Erscheinung wieder, nur der Mond schien durch die Blätter der Bäume und Sträucher am Rande der Lichtung, auf der er stand.

Langsam bewegte er sich in eine Richtung, in der er einen Trampelpfad vermutete. Jetzt hatte er keine Angst mehr, weil er wusste, was sein Ziel war: „Palästina, das Grab von Jesus!“

Seine Mutter war eine Magd gewesen, sein Vater wahrscheinlich der Bauer. Als ihr Bauch langsam sichtbar wurde, versteckte er sie. Er hätte sie auch wegschicken können. Niemand hätte ihn deshalb gescholten, oder ihn des Ehebruchs beschuldigt. Dies galt nur für die Frauen. Alle im Dorf hätten ihr die Schuld in die Schuhe geschoben. Und so wuchs er als uneheliches Kind im Wald auf. Nachdem seine Mutter gestorben war, begab er sich auf Wanderschaft. Irgendwann beschäftigte ihn dann ein Bauer als Hirte. Die Kost war knapp und Hunger sein ständiger Begleiter. Er sammelte Pilze, Beeren und Kräuter, obwohl sie ihm nicht alle bekannt waren. Manchmal lag er stundenlang wie im Koma, weil er irgendetwas Giftiges gegessen hatte.

Der Wald öffnete sich und irgendwo zu seiner Rechten ließ sich ein Hund hören. Wenn es hell wurde, würde er dort um ein Stück hartes Brot bitten.

Es war ein Marktplatz mit einer Kirche. Hier versammelten sich jeden Sonntag die Leute aus der ganzen Umgebung. Die Leute bauten gerade ihre Stände auf. Vor und nach der Messe wurde gehandelt, verkauft und getauscht. Während der Messe brauchte man einen Wächter für die Ware und der Knecht oder Hirte würde dafür ein zusätzliches Stück trockenes Brot bekommen.

Ein Knecht gab ihm die Hälfte von seinem und konnte deshalb in die Kirche gehen und der Messe beiwohnen. Nachdem er das Stückchen verschlungen hatte, erinnerte er sich wieder an seine Mission und als die Leute aus der Kirche kamen, stellte er sich in die Mitte des Platzes und schrie wie ein Besessener: „Ich habe den Messias gesehen, er ist mir erschienen. Wir müssen nach Palästina gehen und das reiche Grab Jesus suchen.“ Viele lachten über ihn, feilschten weiter um günstigere Preise. Nur ein paar Hirten und Knechte liehen ihm ein Ohr. Besonders das Wort „reich“ erregte ihre Aufmerksamkeit.

Er wusste nicht, wie lange er gesprochen hatte, aber als er den Platz verließ, schlossen sich ihm zwei junge Leute an. Sie begleiteten ihn, bis sie außer Sicht- und Hörweite des Ortes gekommen waren und wollten ihn ausrauben. Sie suchten das „reich“, das es natürlich nur in seinem Gehirn gab.

Von dem Schlag auf seinen Hinterkopf erwachte er erst ein paar Stunden später, wieder allein. Aber dieses Missgeschick erweckte ihn nicht, sondern machte ihn nur noch überzeugter, auf dem richtigen Weg zu sein. An der nächsten Quelle wusch er sich das getrocknete Blut aus dem Haar.

Immer mehr Leute schlossen sich ihm an, bald waren es einhundert. Sie wussten nicht genau, wohin sie zogen, aber Palästina war überall. Wenn sie in die Nähe eines Dorfes kamen, trat ihnen sofort der Bürgermeister entgegen und brachte Lebensmittel, um zu verhindern, dass diese Menge durch den Ort zog. Wahrscheinlich hatte der Würdenträger Angst.

Als er sich mit tausend Mann einer größeren Stadt näherte, stand ihnen eine Gruppe von Soldaten gegenüber, die lieber ehrfürchtig mit ihnen sprachen. Die vielen Holzkreuze glichen sicherlich Lanzen in ihren Augen. Der geistliche Leiter der Stadt, die sich um das Kloster bildete, hatte schon von dieser wandernden Armee Gottes gehört. Er wusste, dass die letzten Jahre schlechter Ernte die Leute zum Äußersten zwangen. Zu solchen Zeiten waren auch Kirchen-, Kloster- und Häuserplünderungen keine Seltenheit. Wer sollte diese hungrige Menge aufhalten, wenn sie einmal ins Rasen gekommen war und den roten Hahn (Feuer) auf die Dächer der Stadt setzte? Also ritt er an der Spitze seiner Handvoll Soldaten zu ihnen, bevor sie ihn erreichten.

Ein lautes Geschrei „Nach Palästina, zum Grab von Jesus!“ empfing ihn. Wie wildgeworden von Hunger und religiösem Fanatismus brüllten sie durcheinander. Er musste ihnen den Weg ans oder ins Grab zeigen, bevor daraus ein ganzer Bauernaufstand wurde. Sie befanden sich im Voralpengebiet und der Herbst war schon zu Ende, bald würde es schneien. Als der geistliche Würdenträger in seinem weißen Gewand mit rosaroter Überkleidung die Hände hob, war er selbst überrascht, dass die Horde langsam verstummte. „Jesus ist mir erschienen und befahl mir, euch zu führen,“ rief er. Ein lautes Jubeln war die Antwort. „Das noble Ziel liegt links von euch“, er zeigte dabei auf die Berge, „reiche Belohnung wird denen zu teil, die das Grab unseres Erretters von den Heiden und Moslems befreien. Folgt mir! Ich will euch den Weg zeigen.“

Mit großer Begeisterung folgten sie ihm. Er führte sie in die Alpen, immer höher wurden die Berge und tiefer die Täler. Als es eines Morgens anfing, zu schneien und die Sicht wegen des dichten Flockenfalls sehr schlecht wurde, ritt er weit voraus und verließ sie. Er wusste, dass diese Geschwächten den Sturm nicht überleben würden. 2 Tage lang dauerte das Unwetter, dann kamen die Krähen und andere Wildtiere und erfreuten sich den ganzen Winter des reichen Mahles Christi, das ihnen Gott so unerwartet beschert hatte.

 

 

Fahr mit Märchen 92 fort!

 

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