Märchen 91 heiliger Kreuzzug der Armen Written by Rainer: rainer.lehrer@yahoo.com Learn languages (via Skype): Rainer: + 36 20 549 52 97 or + 36 20 334
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Heiliger Kreuzzug der Armen Schweißgebadet wachte er auf. Er wusste nicht
mehr, wie er an diesen verlassenen Ort gekommen war, nur die Worte des
Dorfpredigers klangen ihm noch in den Ohren: „Die Kinder werden die Welt
regieren und Gottes Reich schaffen! Die Letzten werden die Ersten sein! Nur
ein Armer passt durch das Nadelöhr.“ Und danach gab es eine Lücke in seinen
Erinnerungen. Es war kalt und schon fast Nacht, die erste Eule
begann ihren Jagdschrei: „Uhuuu, uhuuu!“ Noch eine Weile blieb er liegen,
dann erhob er sich. Kleine, funkelnde Augen blickten ihn aus dem Dickicht an.
Der Mondschein warf verschiedenste Schatten. Und da war es wieder, jetzt
erinnerte er sich an einen Augenblick, bevor er ohnmächtig zusammengebrochen
war. Ein Mann mittleren Alters, mit ungekämmten Haaren, Blut an der Stirn und
einem dreckigen, einmal sicher weißen Gewand sprach zu ihm: „ Geh, sammle die
Armen und Kinder und erobere mein Grab zurück, geh nach Palästina!“ Dann
verschwand die Erscheinung wieder, nur der Mond schien durch die Blätter der Bäume
und Sträucher am Rande der Lichtung, auf der er stand. Langsam bewegte er sich in eine Richtung, in der
er einen Trampelpfad vermutete. Jetzt hatte er keine Angst mehr, weil er
wusste, was sein Ziel war: „Palästina, das Grab von Jesus!“ Seine Mutter war eine Magd gewesen, sein Vater
wahrscheinlich der Bauer. Als ihr Bauch langsam sichtbar wurde, versteckte er
sie. Er hätte sie auch wegschicken können. Niemand hätte ihn deshalb
gescholten, oder ihn des Ehebruchs beschuldigt. Dies galt nur für die Frauen.
Alle im Dorf hätten ihr die Schuld in die Schuhe geschoben. Und so wuchs er
als uneheliches Kind im Wald auf. Nachdem seine Mutter gestorben war, begab
er sich auf Wanderschaft. Irgendwann beschäftigte ihn dann ein Bauer als
Hirte. Die Kost war knapp und Hunger sein ständiger Begleiter. Er sammelte
Pilze, Beeren und Kräuter, obwohl sie ihm nicht alle bekannt waren. Manchmal
lag er stundenlang wie im Koma, weil er irgendetwas Giftiges gegessen hatte. Der Wald öffnete sich und irgendwo zu seiner
Rechten ließ sich ein Hund hören. Wenn es hell wurde, würde er dort um ein
Stück hartes Brot bitten. Es war ein Marktplatz mit einer Kirche. Hier
versammelten sich jeden Sonntag die Leute aus der ganzen Umgebung. Die Leute
bauten gerade ihre Stände auf. Vor und nach der Messe wurde gehandelt,
verkauft und getauscht. Während der Messe brauchte man einen Wächter für die
Ware und der Knecht oder Hirte würde dafür ein zusätzliches Stück trockenes
Brot bekommen. Ein Knecht gab ihm die Hälfte von seinem und
konnte deshalb in die Kirche gehen und der Messe beiwohnen. Nachdem er das
Stückchen verschlungen hatte, erinnerte er sich wieder an seine Mission und
als die Leute aus der Kirche kamen, stellte er sich in die Mitte des Platzes
und schrie wie ein Besessener: „Ich habe den Messias gesehen, er ist mir
erschienen. Wir müssen nach Palästina gehen und das reiche Grab Jesus
suchen.“ Viele lachten über ihn, feilschten weiter um günstigere Preise. Nur
ein paar Hirten und Knechte liehen ihm ein Ohr. Besonders das Wort „reich“
erregte ihre Aufmerksamkeit. Er wusste nicht, wie lange er gesprochen hatte,
aber als er den Platz verließ, schlossen sich ihm zwei junge Leute an. Sie
begleiteten ihn, bis sie außer Sicht- und Hörweite des Ortes gekommen waren
und wollten ihn ausrauben. Sie suchten das „reich“, das es natürlich nur in
seinem Gehirn gab. Von dem Schlag auf seinen Hinterkopf erwachte er
erst ein paar Stunden später, wieder allein. Aber dieses Missgeschick
erweckte ihn nicht, sondern machte ihn nur noch überzeugter, auf dem
richtigen Weg zu sein. An der nächsten Quelle wusch er sich das getrocknete
Blut aus dem Haar. Immer mehr Leute schlossen sich ihm an, bald
waren es einhundert. Sie wussten nicht genau, wohin sie zogen, aber Palästina
war überall. Wenn sie in die Nähe eines Dorfes kamen, trat ihnen sofort der
Bürgermeister entgegen und brachte Lebensmittel, um zu verhindern, dass diese
Menge durch den Ort zog. Wahrscheinlich hatte der Würdenträger Angst. Als er sich mit tausend Mann einer größeren Stadt
näherte, stand ihnen eine Gruppe von Soldaten gegenüber, die lieber
ehrfürchtig mit ihnen sprachen. Die vielen Holzkreuze glichen sicherlich
Lanzen in ihren Augen. Der geistliche Leiter der Stadt, die sich um das
Kloster bildete, hatte schon von dieser wandernden Armee Gottes gehört. Er
wusste, dass die letzten Jahre schlechter Ernte die Leute zum Äußersten
zwangen. Zu solchen Zeiten waren auch Kirchen-, Kloster- und
Häuserplünderungen keine Seltenheit. Wer sollte diese hungrige Menge aufhalten,
wenn sie einmal ins Rasen gekommen war und den roten Hahn (Feuer) auf die
Dächer der Stadt setzte? Also ritt er an der Spitze seiner Handvoll Soldaten
zu ihnen, bevor sie ihn erreichten. Ein lautes Geschrei „Nach Palästina, zum Grab von
Jesus!“ empfing ihn. Wie wildgeworden von Hunger und religiösem Fanatismus
brüllten sie durcheinander. Er musste ihnen den Weg ans oder ins Grab zeigen,
bevor daraus ein ganzer Bauernaufstand wurde. Sie befanden sich im
Voralpengebiet und der Herbst war schon zu Ende, bald würde es schneien. Als
der geistliche Würdenträger in seinem weißen Gewand mit rosaroter
Überkleidung die Hände hob, war er selbst überrascht, dass die Horde langsam
verstummte. „Jesus ist mir erschienen und befahl mir, euch zu führen,“ rief
er. Ein lautes Jubeln war die Antwort. „Das noble Ziel liegt links von euch“,
er zeigte dabei auf die Berge, „reiche Belohnung wird denen zu teil, die das
Grab unseres Erretters von den Heiden und Moslems befreien. Folgt mir! Ich
will euch den Weg zeigen.“ Mit großer Begeisterung folgten sie ihm. Er
führte sie in die Alpen, immer höher wurden die Berge und tiefer die Täler.
Als es eines Morgens anfing, zu schneien und die Sicht wegen des dichten
Flockenfalls sehr schlecht wurde, ritt er weit voraus und verließ sie. Er
wusste, dass diese Geschwächten den Sturm nicht überleben würden. 2 Tage lang
dauerte das Unwetter, dann kamen die Krähen und andere Wildtiere und
erfreuten sich den ganzen Winter des reichen Mahles Christi, das ihnen Gott
so unerwartet beschert hatte. Fahr mit Märchen 92 fort! |
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