Märchen 89 Begabung Written by Rainer: rainer.lehrer@yahoo.com Learn languages (via Skype): Rainer: + 36 20 549 52 97 or + 36 20 334
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Begabung Als er 3 Jahre alt war, machte sein Vater ihn zum
ersten Mal damit bekannt. Dem Jungen gefiel es, dass nach der Mutter auch der
Vater begann, sich für ihn zu interessieren. „Der Kleine stellt sich gar
nicht so dumm an!“ – meinte der Alte und seit diesem Tag wurde geübt. Immer
länger zogen sich diese Tätigkeiten hin. Nach Tränen versuchte die Mutter,
den Vater zu beschwichtigen, aber ohne Wirkung. Sichtlich wollte der Vater
seine eigene Erfolglosigkeit mit dem Jungen kompensieren. Strafe und Lob
wechselten sich ab. Oft hörte er andere Kinder im Hof spielen. Mit 5
wurde er erstmals einer kleineren Zuschauergruppe vorgestellt. Aber das
Lampenfieber und der durch die Erwartung seines Vaters entstandene Druck
machten es ihm unmöglich, sich zu konzentrieren. Damals wäre der Kleine am
liebsten nicht nach Hause gegangen. Als er 10 war starb sein Vater und wochenlang
beschäftigte er sich nicht mit dem Traum des Alten. Seine Gedanken führten
ihn lieber auf den Hof zu den anderen Kindern, aber ihm fehlte die Fähigkeit,
sich mit ihnen zu verständigen. Er hatte den Anschluss verpasst. Weder die
Großen wollten etwas von seiner Kunst, noch die Kleinen etwas von seiner
Person wissen. Nach einer Zeit begann er sich wieder mit dem
Einzigen zu beschäftigen, was doch 7 Jahre lang jeden seiner Tage bestimmt und
ausgefüllt hatte. Irgendetwas musste er doch machen, er konnte ja nicht
tatenlos herumsitzen. Langsam fand er wieder seinen Rhythmus. Seine Mutter
die eigentlich nichts davon verstand, engagierte einen Lehrer. Aber der war
nicht viel besser als sein Vater. Erfolglos, von Zweifeln geplagt und
Komplexen getrieben, nahm dieser sich seinem Schützling an. Von seinem Fach
hatte der noch irgendwie eine Ahnung, aber auf Kinder verstand er sich nicht. Mit 17 Jahren war er fertig, oder besser, es gab
in der Umgebung keinen, der ihm noch etwas hätte beibringen können.
Neugierig, aber auch voller Angst ging er hinaus. Vielleicht würde die Welt
doch an seinem Können Gefallen finden. Man, oder besser Frau begrüßte ihn herzlich, war
er doch ganz schön gebaut und in Gegenwart der Jugend fühlt sich das Alter
wieder frischer. Man/Frau reichte ihn von Hand zu Hand und versuchte seine
Schüchternheit abzubauen. Langsam wurde seine Schale weicher. Aber was für
ein Kern sollte sich darunter verbergen? Dann gelang es endlich einer Vierzigjährigen ihm
seine Unschuld zu nehmen. Für sie war es ein wunderbares Gefühl, aber er
konnte es noch nicht genießen. Es war ihm unklar, worauf er achten müsse.
Hätte er in seiner Jugend so wenig gelernt? – war die Frage, die er sich
immer wieder stellte. Er fühlte auch weiterhin nicht genau, wo bei der
ganzen Sache der Genuss hätte sein sollen, aber verstand sehr bald, dass
daraus sein Unterhalt und mögliches Vorankommen gesichert sein kann. Leute
wurden ihm vorgestellt, die entweder auf die gleiche Weise ausgehalten wurden
und ihn deshalb als Konkurrenz betrachteten, oder die sich in dieser
Hierarchie der Günste selbst von Fuß zu Fuß nach oben geküsst hatten. Selten
ergab sich ein Treffen mit einem eigenständigen Geist, von dem sich etwas
hätte abschauen lassen. Es waren die Wellen, die beim Fall eines Steines
in stilles Wasser verursacht werden. Umso weiter die Kreise sich dann
entfernten, desto kleiner ist ihre Kraft. Aber im Unterschied zum
Wellenspiel, wo sich diese entfernen wollen, um ihren Ruhezustand
wiederzugewinnen, hängen die Ringe in dieser Hierarchie verzweifelt am
Ursprung der Bewegung. Die Zusammensetzung der Kreise gründet fast
ausschließlich auf Unterwürfigkeit, wird aber durch Begriffe wie Begabung und
Mode ersetzt. Dies waren seine Gedanken, wenn er allein war.
Befand er sich in Gesellschaft, blendete ihn, wie alle anderen, das Licht, um
das in der Nacht Insektenflieger schwärmen. Schaltet man es aus, suchen sie
sich nach einiger Verwirrung eine neue seeleneinflößende Quelle. Bereichert durch diese Erfahrung fühlte er sich
einmal dem Dichter gleich, den die Athener den Spartanern statt Soldaten
geschickt hatten, um letztere im Kampf zu unterstützen. Die kriegerischen
Spartaner wussten nämlich damit, nichts anzufangen. Andermal überfiel ihn
Angst, einfach ein Ballast der Gesellschaft zu sein. Er beruhigte sich damit,
nicht der einzige zu sein. Schließlich hatte er ja genug Begabung dazu. |
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