Märchen 107 der Feind Written
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Der Feind Im Halbdunkel sah er, wie
jemand langsam schleichend hereinkam. Er selbst saß zusätzlich in einer
dunklen Ecke, hatte sein Gewehr auf den Eingang gerichtet und wartete. Der
Eintretende ließ seine Augen beobachtend durch den Raum des halbverfallenen
Gebäudes gleiten, dann ging er im Zimmer weiter, wollte anscheinend jeden
Winkel durchstöbern. „Hände hoch!“ – sagte der
Versteckte fast flüsternd. „Leg die Waffe sanft auf den Boden, ohne dich
umzudrehen!“ – befahl er weiter. „Sehr schön! Jetzt, Hände hinter den Kopf
und in die andere Ecke! Dort, wo das Licht ist.“ Der andere tat, wie ihm
aufgetragen wurde. „Du wirst uns nicht entkommen. Überall sucht man dich.“
„Sprich leiser, sonst erschieß ich dich!“ Er hielt eine Pause. „Wenn man mich
hier findet, nehme ich dich mit in den Tod.“ Er ging zu der Waffe und hob sie
auf. Die Schritte um das Haus
entfernten sich. „Hier ist er nicht. Da hinüber zur nächsten Ruine.“ Sowohl
der Eingetretene, als auch der Versteckte begannen tiefer zu atmen, der eine
weil er es wieder durfte, der andere, weil er es wieder konnte. „Für wen oder
Wofür riskierst du, dass man auf dich Jagd macht. Du könntest ein ruhiges
Leben haben, eine Arbeit, eine Familie, ein Haus.“ – „Tja, dann wäre ich
nicht besser als du! Ein Handlanger, der der Macht dient.“ – „Ich weiß, dass
nicht alles ideal läuft. Aber könntest du mir ein besseres System zeigen?“ –
„Und weil du lieber einen dicken Bauch bekommen willst, machst du jetzt
einfach mit.“ – „Wenn es nur solche Leute, wie dich, geben würde, wäre die
Menschheit schon ausgestorben.“ – „Naja, dann müssten sich die Mächtigen neue
Untertanen suchen. Aber sie würden wahrscheinlich die untersten unter sich
erniedrigen. Zum Beispiel solche Leute, wie dich. Siehst du, deshalb sind sie
eigentlich von uns abhängig und nicht wir von ihnen. Wer würde denn sonst die
Drecksarbeit für sie tun und dazu auch noch Steuern bezahlen, um ihr System
aufrechtzuerhalten?“ – „Aber irgendeine Ordnung muss es ja geben, sonst würde
doch jeder tun und lassen, was ihm gefällt.“ – „Es gibt zwei Möglichkeiten.
Entweder einer macht sich zum Führer und befiehlt, was Recht und Gesetz ist,
oder alle beginnen, darüber nachzudenken und finden eine gemeinsame Lösung.“
– „Demokratie? Das funktioniert doch nicht. Der Mensch wird niemals für das
Gemeinwohl leben.“ – „Und deshalb ist es dann besser, wenn nur einer alle
anderen terrorisiert, oder eine kleine Gruppe bestimmt, was passieren soll?
Sollten nicht lieber alle unterrichtet werden und erkennen, was richtig ist?“
– „Du bist ein Träumer!“ – „Möglich! Die Menschheit geht aber in diese
Richtung. Zuerst regierte nur der Pharao und Leute, wie du, ließen sich mit
ihm begraben. Heute haben wir schon Parlamente.“ – „Die heutige ist eine
gottlose Welt.“ – „Früher spielte einer den Gott. Aber sage mir, warum du so
an die jetzige Macht glaubst?“ – „Sie macht unser Land wieder groß. Es gab
eine Zeit, als mutige Kämpfer für ihr Land, ihren König und Glauben starben.
Was wir heute sehen, sind alles nur egoistische Individualisten.“ – „Weißt
du, wie es damals den einfachen Leuten ging? Damit so ein Führer den Ruhm in
die ganze Welt verbreiten konnte, mussten viele leiden, hungern und sterben.“
– „Wer interessiert sich denn schon für den kleinen Mann?“ – „Ist nicht der
kleine genauso gut oder schlecht, wie der große?“ – „Und deshalb macht ihr
dann ab und zu einmal eine Revolution, bei der tausende ums Leben kommen und
die ganze Ordnung über den Haufen geworfen wird.“ – „Wie viele müssen
sterben, um diese Ordnung aufrechtzuerhalten? Und dann gibt es natürlich
immer Handlanger, wie dich, denen ein paar Krümel hingeworfen werden, damit sie
ihre Köpfe für die großen hinhalten. Oder möchtest du vielleicht behaupten,
dass du mehr als ein paar Krümel bekommst?“ – „Es kommt darauf an, was du
Krümel nennst. Ich führe ein normales Leben.“ – „Und wie sieht es mit deinem
Gewissen aus? Hast du dir manchmal darüber Gedanken gemacht, dass du als
Handlanger nicht denken, sondern nur Befehle ausführen sollst? Du musst
nämlich wissen, dass Denken für die Ordnung schädlich ist!“ – „Du wirst mich
nicht überzeugen! Bei euch gibt es nur Chaos, da würde überhaupt nichts
funktionieren!“ – „Wusstest du, dass Ordnungshüter zur Zeit der Römer Sklaven
waren. Kein stolzer Bürger hätte sich damals hingegeben, anderen
nachzuspionieren.“ |
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